Zwischen Alltag und Überwachung

Die Überwachung der EinwohnerInnen Chinas durch die Kommunistische Partei hat sich mit dem Machtantritt Xi Jinpings nochmals grundlegend verändert. Über die Medienwelt vor 2013, Corona als Brandbeschleuniger und eine neue Art der Zensur.

Die chinesische Medienwelt ist bunt und vielfältig, zumindest scheint es so. Mit Hilfe des Studenten Wangs orientieren wir uns durch diese. Er ist 23 Jahre alt, lebt eigentlich in China und benutzt fast überall sein Smartphone. Er kommuniziert damit per WeChat, bezahlt im Supermarkt oder beim kleinen Händler auf der Straße und liest News. Das meiste funktioniert ganz einfach per QR-Code, keine langen Bezahl- und Registrierungsvorgänge mehr. Meist weiß die Scansoftware am Bahnhof schon direkt, dass er unterwegs ist und seine Karte gültig ist. Kein ewiges Anstehen und Vorzeigen mehr.
Wang steht stellvertretend für viele junge ChinesInnen, die aktuell in den Städten Chinas leben. Einerseits genießen sie viele Vorteile, die das digitale Leben mit sich bringt, andererseits werden ihre Freiheiten und ihre Privatsphäre durch die immer stärkere Zensur und Überwachung massiv eingeschränkt. Die Auswirkungen seit der Null-Covid Politik nehmen noch einmal ganz neue Ausmaße an.
Es lohnt sich aber, die Historie der wichtigsten Medien in China zu betrachten. So wird sich zeigen, dass es einmal ein kritischeres und offeneres China gab, an welches sich ältere Generationen erinnern können. Dabei steht besonders die Veränderung seit Xi Jinpings Amtsantritt als Staats- und Parteichef im Vordergrund.

Der klassische Zeitungsmarkt – von der Propaganda zum werbefinanzierten Sprachrohr

In China haben die Zeitungen, wie in vielen kommunistischen Ländern, ihre Wurzeln in der Propaganda nach dem Zweiten Weltkrieg und Bürgerkrieg. Nach dem Sieg der kommunistischen Partei unter Mao Zedong im Jahre 1949 erschien die Renmin Ribao (auf Deutsch „Volkszeitung“), welche die politischen Leitlinien und Ziele der Partei bis heute propagiert. Aufgrund des technischen Rückstands Chinas bis in die 80er Jahre blieben Zeitungen auch lange das einzige Medium, welches der breiten Bevölkerung zur
Verfügung stand. Mit der Öffnung Chinas in den 1980ern nahm auch die Zahl der Zeitungen stetig zu – finanziert durch Werbeeinahmen und Subventionen. So kam es in den 2000ern zu einer Hochphase der Zeitungen. Die jetzt vorgegebene Zensur durch die Regierung war auch noch nicht so ausgereift wie heute, es war sogar investigativer und kritischer Journalismus möglich. Dabei stand zwar nie die Politik konkret im Fokus, es ging eher um Umweltverbrechen, Wirtschaftsdelikte und Korruption. Aus heutiger Sicht trotzdem kaum vorstellbar, aber vielen älteren ChinesInnen bewusst.
Das Blatt wendete sich mit der Wahl Xi Jinpings zum Staats- und Parteichef im Jahre 2012. Die Zensur nahm seitdem stark zu, häufig gerechtfertigt mit der Sicherheitspolitik und Schutz vor Propaganda aus dem Westen. Zwar wehrten sich zu Beginn einige JournalistInnen und RedakteurInnen und konnten noch medial Kritik äußern, spätestens seit 2016 wurden Redaktionen und Medien jedoch unmissverständlich dazu aufgefordert, sich nur noch loyal gegenüber der Kommunistischen Partei zu äußern. Der Chefredakteur der Southern Daily nahm dies sogar so wörtlich, dass er gerne auf Twitter lautstark den Westen kritisiert. Ironischerweise ist der Messenger in China verboten. Weitere größere Zeitung sind die Cankai Xiaoxi mit Fokus auf ausländische Berichterstattung und die China Daily, welche zwar beide in staatlicher Hand sind, aber letztere eher für das Ausland produziert wird.
Wang liest aber selten vollständige Zeitungen. Dies ist wie bei uns eher was für die Generation 50+. Stattdessen liest er einzelne Artikel, die ihm bei WeChat vorgeschlagen werden, wo ähnlich wie bei Google personalisierte Anzeigen und Artikel geschaltet werden. In China sind diese Artikel fast immer kostenlos, da sie werbefinanziert oder von der Regierung subventioniert sind. Eher traditionell guckt Wang Fernsehen, da es zumindest mit der Familie fast schon ein gemeinsames Ritual ist.

Gemeinsam mit der Familie – TV in China

Die Senderauswahl in China ist groß – aber irgendwie auch nicht. Da China lange als die Werkbank der Welt galt und nun Hightech- und Technologie-Standort werden will, sind elektronische Geräte erschwinglich und in vielen Haushalten vorhanden. In der Region Shenzhen kann man fast von regionalem Anbau sprechen, wenn man die Folgen fürdie Umwelt ignoriert. Kaum ein aktuelles elektronischesGerät besitzt ein Teil, welches nichtdort gefertigt wird. Auch Apple, Samsung, Sony und weitere Hightechfirmen lassen ihre Komponenten bei den gleichen Herstellern in der Region fertigen. Daher erklären sich auch die Lieferschwierigkeiten seit der Corona Pandemie, da aufgrund der rigorosen Null-Covid Strategie vermehrt ganze Stadtteile abgeschottet werden.
„Gegen die Langeweile hilft dann meist nur Fernsehen gucken“, berichtet Wang. Dafür stehen den ChinesInnen bis zu 16 Sender des Staatssenders CCTV (Chinese Central TeleVision) zur Verfügung. Diese berichten natürlich loyal im Sinne der Kommunistischen Partei. Hinzu kommt eine Vielzahl an Lokalsendern. Alle benötigen eine Lizenz und müssen die Nachrichten von CCTV ausstrahlen. Politische Themen dürfen kaum aufgegriffen werden und den ReporterInnen ist es untersagt, eigene Recherchen, beispielsweise bei Wirtschaftsunfällen zu verfolgen. Ablenkung und Unterhaltung stehen im Fokus der Berichterstattung. Die Hauptsender von CCTV setzten auf landesweite Schwerpunkte wie Wirtschaft, Sport oder Filme. Auch das Militär hat einen eigenen Schwerpunktsender. Besonders offensichtlich wird die Propaganda, wenn vermeintliche Kriminelle oder Regierungskritiker dazu gezwungen werden, Geständnisse live übers Fernsehen abzugeben. In seiner Freizeit guckt Wang wie viele seiner Freunde und Freundinnen wenig Fernsehen, seine Eltern schon eher. Meist wird aber beim Abendessen gemeinsam geschaut. Anschließend gucken seine Eltern und Großeltern noch weiter, bis sie ins Bett gehen. Große Ausnahme ist das chinesische Neujahrs- und Frühlingsfest. Dort schaut dann die gesamte Familie. Die große alljährliche Galaveranstaltung zum Frühlingsfest hält den Weltrekord mit 700 Millionen Zuschauern für eine Fernsehsendung. Wang geht an diesen Tagen sonst gerne mit seiner Familie ins Kino, besonders an den Feiertagen. Allein ist er damit nicht.

Kino so alt wie Hollywood – und vielfach größer

Das chinesische Kino ist alt, älter als die Volksrepublik. Schon in den 1920ern existierten große Produktionsstätten in Peking, Hongkong und Shanghai, die durchaus mit dem Hollywood und US-Kino der 20er Jahre mithalten konnten. Besonders Heldengeschichten wurden gerne erzählt, häufig mit versteckter Kritik an Staat und BeamtInnen. Dies hatte die ersten Zensuren zur Folge. Die Situation änderte sich stark zur Propaganda während des Zweiten Weltkrieges gegen Japan und dem laufenden Bürgerkrieg bis 1949, fast zum Erliegen kam die Filmproduktion dann bis zum Ende der Kulturrevolution 1976.
Es folgte wie auf den Zeitungsmarkt in den 1980ern eine neue Belebung des chinesischen Kinos. Die RegisseurInnen arbeiten dabei besondere Charakteristiken heraus, weswegen sie in Generationen unterschieden werden können. Bekannt wurden sie als die Regisseur*innen der vierten bis zur sechsten Generation und knüpften entweder an Techniken aus der Zeit vor der Volksrepublik an oder lernten von den vorherigen Generationen. Der Künstler Ai Weiwei stammt beispielsweise aus der fünften Generation und begann früh seine Kunst und Kritik mit den erlernten Techniken zu inszenieren. Besonders für die Generationen ist, dass sie immer kritischer wurde, auch ernste Themen darstellten und Missstände aus verschiedenen Perspektiven aufzeigten. Zwar konnten manche zu kritische Filme nur im Ausland zu bekannten Meisterwerken werden, trotzdem ermöglichte die relativ schwache Zensur um die Jahrtausendwende auch Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen und zum Teil wurde sich mit der Historie des Landes neu auseinandergesetzt.
Die Generationen sind auch für Wang ein Begriff und er hat den einen oder anderen Klassiker bereits gesehen. Nach der Sechsten wurde der Kinomarkt aber so groß, dass sich eine Unterteilung nicht mehr lohnte. Lieber schaut Wang aber Actionfilme wie den neuen Spiderman oder chinesische Komödien und Dramen. Damit ist er nicht allein. Der Kinomarkt ist stark am Wachsen, auch nach Corona. Laut Steffen Wurzel, China-Korrespondent der ARD, haben allein 2018 jeden Tag 25 Kinosäle neueröffnet und allein das zweite Halbjahr 2021 generierte einen Umsatz von 7,3 Milliarden Dollar. Im gleichen Jahr kamen die USA „nur“ auf 4,5 Milliarden Dollar. Es liegt somit nahe, dass westliche Produktionen auch in China verwertet werden sollen. Die Zensur ist jedoch auch im Kino vollumfassend geworden seit der Wahl Xi Jinpings.
Für ausländische Filme wird jedes Jahr eine Quote festgelegt, zuletzt waren dies 34 Filme pro Jahr. Um in China ausgestrahlt zu werden, schneiden die Verleiher entweder unerwünschte Teile aus den Filmen oder ändern Geschichten gleich komplett um. Beispielsweise verhinderten Disney und Marvel jegliche Anspielungen auf Tibet in den Dr. Strange-Filmen und erzählten die Hintergrundgeschichten ausschließlich in Nepal. Die zugrunde liegende Thematik rund um die eigenständige tibetanische Kultur wird damit komplett im Sinne Chinas missachtet.
Trotzdem liegen die Entscheidungen aktuell noch in unserer Hand, inwieweit wir uns an die chinesischen Vorgaben halten. Chinesische Filme sind bei uns hingegen gering erfolgreich. Daher liegt der Fokus von chinesischen Produktionsfirmen eher darin, sich an westlichen Filmen zu beteiligen. So soll bereits vor Fertigstellung des Filmes Einfluss genommen und für beide Märkte produziert werden.

Tencent vs. Alibaba – Wem gehört das Netz?

Karten fürs Kino kauft Wang natürlich über sein Smartphone, bezahlt per Alipay. Den Termin teilt er seinen Freunden über WeChat mit und guckt bis diese eintreffen die neuesten Videos auf Bilibili. Was nach den einfachen chinesischen Pendants zu WhatsApp, PayPal und YouTube klingt, hat jedoch viel größere Dimension. Zwar starteten die Angebote häufig als Klone westlicher Messenger und Onlineshops, haben diese jedoch weit in Funktionen und Innovationen überholt. Die beiden größten Tech- und E-Commerce-Unternehmen sind aktuell dabei, die Plattform für das komplette digitale Leben in China zu werden.
Die Geschichte des Internets in China ist komplex. Zu Beginn wurde es noch von BürgerrechtlerInnen wie Liu Xiaobo als „Gottes Geschenk an die Chinesen“ bezeichnet. Nutzer vernetzen sich bei Blog-Diensten wie Weibo und schrieben Blogs und Artikel, um über ihr Leben zu diskutieren und Wissen auszutauschen. Das Eingreifen der Zensoren ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Trotzdem hielt sich die Blog-Kultur bis heute, nur nicht auf Kritik und Politik bezogen. Die Kommunistische Partei begann aber zu verstehen, dass das Internet immer weiter vom Westen getrennt werden muss, um wieder effektiv kontrolliert zu sein. Die Tech-Firmen nutzten dies als ihre Chance und füllen die entstandenen Lücken mit ihren Angeboten. Jack Ma setzte beispielsweise mit seiner Firma Alibaba auf den Onlineshop und Second-Hand-Markt wie Amazon und Ebay mit dem UC Browser und der Plattform Taobao. Die übergeordnete Alibaba-Group kam 2019 auf einen Umsatz von circa 480 Milliarden Dollar. Zusätzlich entwickelte sie Alipay, was wie PayPal Zahlungen zwischen Banken und Privatpersonen abwickelt und vereinheitlicht. 2013 belief sich deren Transaktionsvolumen auf 150 Milliarden US-Dollar, bei PayPal zur gleichen Zeit auf 27 Milliarden. Letzte Schlagzeilen machte Jack Ma, als er aus der Öffentlichkeit verschwand, nachdem er die chinesische Wirtschaftspolitik kritisierte. Ein Schicksal, welches viele Vermögende in China ereilt, wenn ihr Einfluss oder Profit zu gefährlich für die politische Elite wird.
Eine weitere große „Alternative“ ist die Online-Plattform Baidu, die wie Google eine Suchmaschine darstellt, und das bereits genannte Bilibili, das den Ersatz zu YouTube darstellt. Bilibili bietet aber mehr Möglichkeiten der Interaktion und des Teilens mit FreundInnen. TikTok vom Entwickler Bytedance kommt zwar aus China, hat aber sowohl eine Version für China und eine für den Westen. Besonders im Westen fällt sie immer wieder negativ auf, da sie Probleme beim Datenschutz aufweist. Recherchen des NDRs belegen außerdem, dass sie mit Wortfiltern arbeitet. Seitens TikToks wird meist auf den Jugendschutz verwiesen, die Liste der Worte ist aber zu willkürlich und politisch. Blockierte Begriffe wie „LGBTQ“, „Muslime“, „Winnie Puuh“ oder die Tennisspielerin „Peng Shui“ sind eindeutig im chinesischen oder wirtschaftlichen Interesse und werden so vom Algorithmus unterdrückt und ganz gesperrt. In China heißt die App Douyin und die Liste der gesperrten Inhalte geht natürlich viel weiter. Laut Wang setzt die App auch viel mehr auf Ablenkung und bunte, schrille Inhalte, um komplett von der Zensur abzulenken. Persönlich kann er dieser wenig abgewinnen.

Der Riese Tencent

Größter „Player“ auf dem chinesischen und weltweiten digitalen Markt ist aber das Unternehmen Tencent geworden. Begonnen hat alles mit der App „QQ“. Der ICQ-Klon wurde schnell die beliebteste soziale Plattform in China, ganze Schulklassen vernetzen sich mit ihr und besonders Kinder im Grundschulalter und Eltern nutzen sie weiterhin. Für persönlicheren Kontakt wurde der Messenger WeChat entwickelt, welcher nun das Kerngeschäft von Tencent darstellt. Wie zu Beginn erwähnt, bietet die App fast alles – man kann mit ihr bezahlen, sie bietet eine Blockchain-Technologie für Krypto-Währungen, sie bietet News und Artikel der traditionellen Zeitungen, sie ist Video-Plattform und sie bietet die Integration von Business-Produkten, um seinen Alltag zu organisieren. Weitere Apps sind kaum nötig, die BenutzerInnen benutzen sie fast vier Stunden am Tag. Seit neustem bietet sie auch erste digitale Marktplätze an und beginnt so Alibabas Kerngeschäft anzugreifen. Gleichzeit wird Tencent immer relevanter im Streaming- und Kino- Markt, der ein oder andere wird vielleicht schonmal das Logo von Tencent Pictures vor einem Film gesehen haben.
Noch wichtiger als die Film- und Seriensparte ist bei Tencent das Geschäft mit Videospielen. Während Kindern im Schulalter in China das Zocken unter der Woche untersagt wurde, sichergestellt durch Gesichtsidentifikationen am Computer, wächst der Markt besonders im Westen massiv an. Tencent ist bei einer Vielzahl an Studios beteiligt oder hat diese bereits übernommen. Besonders bekannt sind die Entwickler wie Riot Games mit den Spielen League of Legends und Valorant, Supercell auf dem Mobile Markt mit Clash of Clans und große Publisher wie Ubisoft und Epic Games. Epic Games ist besonders durch Fortnite in den letzten Jahren unglaublich erfolgreich gewesen. Die Entwickler bieten ebenfalls Software wie die Unreal Engine zur Erstellung von Videospielen an. Die Unreal Engine ist eine der meistgenutzten Engines weltweit und eine Nutzung beinhaltet eine Kooperation mit Epic Games und Tencent. Sowohl beim Epic Games Store, der Vertriebsplattform von Epic Games, der notwendig für das Spielen von Fortnite ist, und den Spielen von Riot Games mehren sich die Vorwürfe, dass Spionagesoftwares mitinstalliert werden. Bedenklich, den Tencent muss seine Daten auch den chinesischen Behörden zur Verfügung stellen.

Digital noch großes Potenzial

2018 lag der Anteil der chinesischen Bevölkerung, die Zugang zum „Internet“ besaß, bei rund 55%. Das volle Potential der Firmen ist also bei Weitem noch nicht ausgeschöpft – und dies gilt nicht nur für den chinesischen Markt. Auch in anderen asiatischen Ländern und Afrika versuchen chinesische Firmen Fuß zu fassen. Für Wang haben die großen Plattformen im ersten Moment natürlich viele Vorteile. Alles ist einfach und unkompliziert, mit ein paar Klicks erledigt und es gibt genügend Inhalte, die einen immer öfters die Zensur vergessen lassen. Da Datenschutz aber in China kein Thema ist und große Konzerne wie Alibaba und Tencent nur operieren können, wenn die Regierung am Unternehmen beteiligt ist, wird die Überwachung der Bürger immer leichter. Das sogenannte Social-Credit-System, was in einzelnen Teilen des Landes bereits erprobt wird, greift natürlich auch auf Daten in Foren, Blogs und von den Zahlungsdienstleistern zu. Gruppenadministratoren sind beispielsweise auch für Inhalte in privaten Chats verantwortlich, was einerseits zeigt wie weit die Systeme bereits in die Privatsphäre eindringen können und anderseits, dass die Selbstzensur immer weiter zunehmen wird. Die chinesische Bevölkerung wie Wang und seine Familie bezahlen ihren technischen Fortschritt mit dem Verlust ihrer Privatsphäre und die verfügbaren Medien setzten eher auf Ablenkung und Profit.

Neue Politik seit Zero-Covid

Brandbeschleuniger für den Ausbau der Überwachung im öffentlichen Leben stellt natürlich auch die aus Wuhan stammende Covid-Pandemie da. Während die Infektionen erst mit allen Mitteln verheimlicht werden sollten und die Zensur auf Hochtouren lief, gaben Xi Jinping und Partei anschließend als Ziel die Null-Covid Politik vor. Zwar ähneln Maßnahmen wie Eintritt nur mit negativen Testen aus einer App und zwingenden Isolation den Maßnahmen in Europa, gingen aber weit über westliche Praktiken hinaus. Auch werden Bewegungsdaten mit analysiert, natürlich ohne Zustimmung der betroffenen Person. Aktuelle Bilder aus Shanghai zeigten ganze Abschottungen von Stadtteilen, fehlende Versorgung der EinwohnerInnen und lagerähnliche Unterbringungen von Infizierten. Auch wurden Haustüren verriegelt und Nachbar*innen angewiesen, sich gegenseitig zu überwachen. Bei Zuwiderhandlung griff die Polizei mit äußerster Härte ein, Gewalt gehört zur Selbstverständlichkeit.
Den dystopischen Höhepunkt stellten Drohnen und Roboterhunde dar, welche zur Überwachung und Alarmierung genutzt werden, ermöglicht durch den massiven digitalen Ausbau. Auch Wang hat schreckliche Geschichten von Verwandten aus der Isolation und Abschattung gehört. Er blickt mit Sorge in die Zukunft in China, da erste Vorschläge von Stadtverwaltungen ein dauerhaftes Anmelden per App in öffentlichen Gebäuden testen, auch nach der Pandemie. Alles unter dem Vorwand des Bevölkerungsschutzes. In logischer Konsequenz ist die Härte der Maßnahmen jedoch nicht, da die wirtschaftlichen Folgen durch den Lockdown stark im Kontrast zur politischen Linie Xi Jinpings stehen. Dessen vorgegebenes Ziel ist es eigentlich, mit Hilfe des Wirtschaftswachstumes die Situation der chinesischen Bevölkerung zu verbessern. Zwar profitierte China zu Beginn der Pandemie stark von seiner wirtschaftlichen Konzentration, Lockdowns durch Zero-Covid und Einsperren der Bevölkerung in wirtschaftlichen, wichtigen Metropolen stehen diesem diametral entgegen. Die Investition in Propaganda und Zensur seit der Wahl Xi Jinpings wird nun aber der Garant sein, jegliche Kritik an dieser Neuorientierung verstummen zu lassen.

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