Das Streben nach Glück

Was macht uns wirklich glücklich? Ruhm, Geld oder Schönheit? Wie wichtig die Selbstwahrnehmung ist und warum wir uns nicht ein Beispiel an Pippi Langstrumpf nehmen sollten, weiß Kerem Acim.

Die Glücksforschung ist aktiver denn je. Soziologen, Psychologen, Neurobiologen und auch Volkswirte beschäftigen sich mit Glück. Das Ergebnis: Menschen haben ein individuelles Glücksempfinden – bestimmt durch Genetik und äußere Einflüsse, aber auch durch unser Handeln. Was können wir also für unser Glück tun? Wir können Glück meist nicht bestimmen, doch richtig damit umgehen. Pessimismus ist angeboren, aber änderbar. Die Welt ist das, was wir in ihr sehen wollen und können… Das Wichtigste sind intime und glückliche Beziehungen in unserem Leben. 

Nach Aristoteles ist Glück zunächst abzugrenzen von Spaß oder Genuss. Genuss sei flüchtig und ziehe Schmerz nach sich. Zum Beispiel der Kater durch Alkohol. Glück im Gegensatz ist langfristig, ein Zustand ohne Nachteile. Professor der Wirtschaft an der Universität Nürnberg, Karlheinz Rückriegel, unterscheidet noch zwischen emotionalem und kognitivem Glück. Emotional meint das Glücklichsein im Moment. Kognitiv meint das dauerhafte Glücksgefühl, also die generelle Zufriedenheit mit seinem Leben, die, so Rückriegel, Resultat des Abwägens zwischen dem, was man hat und dem, was man will, ist. Was macht Menschen nun wirklich zufrieden? Schwer zu sagen. Glück wird in der Forschung als individuell, als ein „subjektives Wohlbefinden“ bezeichnet.

Was ist Glück? Und wie glücklich macht Geld? Die Weisheit von Aristoteles, Kant, Goethe und der modernen Psychologie auf einen Schlag. Philosophen und Psychologen geben Antworten, die zum Denken anregen. 

 

Zwei Drittel unseres Glücks ist nicht bestimmbar

Also gibt es keine konkrete Methode um glücklicher zu werden? Doch, dazu kommen wir gleich. Glück ist zwar individuell, dennoch gibt es bestimmte Verallgemeinerungen, die man treffen kann. Laut Elisabeth Hahn, Gewinnerin des Dr.-Eduard-Martin-Preis im Bereich der Glücksforschung, ist Glück zu einem Drittel durch Genetik bestimmt. Zu einem Drittel den Umständen und zuletzt dem Erfüllen der psychischen Bedürfnisse zu verdanken. Die Genetik, meint die teils genetische Veranlagung der Persönlichkeit zum Glücklichsein. Der Charakter ist laut Hahn zur Hälfte genetisch bestimmt. Damit auch die Eigenschaft zufrieden, ein Optimist oder Pessimist zu sein. Umstände meint den Einfluss der Menschen und des Milieus auf uns. Problem an Genetik und Umständen: Wir können sehr schwer bis gar nicht bestimmen. 

Zwei Drittel unseres Glücks können wir nicht selbst bestimmen. Also Hoffnung aufgeben? Nein! Das Einzige was wir erfüllen können, sind unsere psychischen Bedürfnisse. Laut Rückriegel sind diese das Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz und Zugehörigkeit. Autonomie beschreibt die freie Handlungswahl, Kompetenz das Gefühl etwas gut zu machen. Zugehörigkeit meint, sich mit anderen verbunden zu fühlen. Darüber hinaus sagt er, dass unser Denken und unsere Wahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen. Aber wie genau? 

Beispiel: Optimismus. Prinzipiell ist es wie beim Pokern. Welche Karten man in der Hand hält, entscheidet der Zufall, doch wie man sie einsetzt, entscheidet man selber. Anders gesagt: Auch mit den schlechtesten Karten kann man gewinnen. Aber auch das Verlieren schadet nicht, wenn man Spaß am Spiel hat. Machen wir es konkret. Die amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson hat ein Glücksquotienten entworfen: 3:1. Drei positive Ereignisse müssen einem schlechten entgegenstehen damit wir glücklich sind. Interessant hieran ist, dass die Wahrnehmung von positiv und negativ eine Sache der Interpretation ist. Menschen, die genetisch zum „Schwarzsehen“ veranlagt sind, sind deshalb auch tendenziell unglücklicher. Gut, dass eine wesentliche Erkenntnis der Psychologie ist, dass wir unser Denken ändern können. Beim Optimismus liegt der Fokus auf positiven Gedanken und beim Pessimismus auf Negativen. Pessimismus und eine eventuelle darauffolgende Depression bezeichnet man in der Psychologie als erlernte Hilflosigkeit. Diese kann man durch Training und wechselnden Fokus vom Negativem aufs Positive wieder verlernen. Bei einem Stress-Management-Seminar geht die Psychologin mit einem Glas durch das Publikum und hält es mit ausgestreckten Arm nach vorne. Die typische Frage „ist das Glas halbleer oder halbvoll?“ wird erwartet. Aber tatsächlich fragte sie nach dem Gewicht des Glases. Die Antworten pendelten zwischen 200 Gramm bis 500 Gramm. Woraufhin die Psychologin erwiderte, dass das Gewicht keine Rolle spielt. Vielmehr geht es um die Dauer, in der sie das Glas oben hält. Kurzzeitig ist es kein Problem. Bereits nach einer Stunde würde ihr Arm schrecklich schmerzen. Nach einem Tag wäre dieser komplett gelähmt. Ähnlich verhält es sich mit unseren Sorgen und Problemen. Kurzzeitig über sie zu denken, macht nichts. Nach einer Stunde bereiten sie Kopfschmerzen und Kummer. Nach mehreren Tagen fühlen wir uns hilflos und lahm vor Schmerz. Der Glücksquotient wird mit Negativitem gefüttert, ergo man wird unglücklich. Optimismus sorgt entsprechend für das komplette Gegenteil. Es beflügelt, motiviert und schenkt Hoffnung. Eine einfache Übung hierzu ist, sich täglich alles aufzuschreiben, was einem Gutes passiert ist. Eine andere ist das „Reframing“, also die Umdeutung einer negativ empfundenen Situation. Beispielsweise hat der Partner eine etwas sehr anhängliche Art. Entweder beschreibt man diese mit: „Mein Partner erdrückt mich“ oder: „Er ist so verliebt, dass er mich nicht loslassen kann“. Etwas, was durchaus über das Beziehungsglück entscheiden kann. 

Mit Lebenszielen Autonomie und Kompetenz fördern

Der nächste wichtige Punkt, sind Ziele im Leben. „Eine glückliche Person erfreut sich positiver Gefühle im Hier und Jetzt und sieht einen Sinn in ihrem Leben, verfolgt also sinnvolle (Lebens-)Ziele“, formuliert es Rückriegel. Weiter sagt er, dass langfristige Ziele die Funktion haben, uns zu befreien, um das Hier und Jetzt besser genießen zu können. Ziele wie Geld, Schönheit und Popularität beschreibt er als toxisch. Der bekannte deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer beschreibt es treffend: „Das Geld gleicht dem Seewasser. Je mehr davon getrunken wird, desto durstiger wird man“. Gleiches gilt auch für Schönheit und Popularität. Reflektierte und klare Ziele sind wichtig. Nur so können wir Fortschritt nachvollziehen, verstehen, warum wir handeln oder auch verzichten – etwas Wichtiges, wenn es um das Bedürfnis der Autonomie und Kompetenz geht. 

Auch wichtig ist das Vermeiden von sozialen Vergleichen, womöglich der Vergleich mit etwas Besserem. Auf Knopfdruck zerstört er alles Schöne in unserem Leben und lässt es unausstehlich wirken – so die Theorie des Sozialen Vergleichs. Wir vergessen zu genießen was wir haben. „Neid und Glück passen nicht zusammen“, macht Rückriegel klar. In einem Experiment wurden Personen befragt, in welcher Welt sie eher Leben wollen: In Welt A, wo sie 50.000 Euro oder in Welt B, wo sie 500.000 Euro im Jahr verdienen. Einfache Entscheidung oder? In Welt A aber, ist der Durchschnittslohn bei 40.000 Euro und in Welt B bei einer Million. Die meisten wählten tatsachlich die Welt A. „Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen, formuliert es der französische Philosoph und Vorläufer der Soziologie Montesquieu. 

Tun, was einem guttut

Die Harvard Universität forscht schonseit 80 Jahren am Glück. Anfangs mit nur 268 Probanden, mittlerweile sind es mehrere Tausend, die sie jährlich zu Lebensumständen befragen und ihre körperliche und mentale Gesundheit messen. Der Studie zufolge ist unser Sozialleben das Wichtigste, wenn es um das Glücksempfinden geht. Die Studienergebnisse belegen: Einsamkeit ist giftiger als Alkohol oder Zigaretten. Die Menge an sozialen Beziehungen ist nicht so wichtig wie die Qualität. Und gesunde Beziehungen sorgen auch für einen gesunden Körper und eine gesunde Psyche. Konkret gesagt: Zeit in Beziehung zu investieren ist das Beste was wir machen können, um glücklich zu sein. Konflikte hat jeder, das Lösen dieser ist die große Kunst. 

Psychologin und Glücksexpertin Sonja Lyubomirsky bringt es auf den Punkt: „Vereinfacht gesagt liegt das Geheimnis des Glücks in Ihrem Verhalten, Ihrem Denken und den Zielen, die Sie jeden Tag für sich formulieren. Es gibt kein Glück ohne Handlung. Wenn Sie ein Gefühl der Passivität und Nutzlosigkeit befällt, dann denken Sie daran, dass Sie es selbst in der Hand haben, dauerhaft ein glückliches Leben zu führen.“

Und was tun Menschen alles für gute Laune und ihr Glück? 

Total
0
Shares
Ähnliche Beiträge
Mehr lesen

Einer unter Millionen – Der Dokutalk

Wer unsere Autorin Nathalie Haut hier auf Campus38 verfolgt, wird wissen, dass sie das Thema Flucht und Flüchtlinge nicht loslässt. Sie engagiert sich. So auch in ihrer Doku "Einer unter Millionen". Sie portraitierte Zakaria, ein Flüchtling aus dem Sudan mit einer beeindruckenden Geschichte.
VON Luna Parise, Nathalie Haut
Mehr lesen

Datenschutz-Ärger im Prüfungsamt

Krankheit als Grund zur Prüfungsunfähigkeit – vielen Universitäten reicht da eine einfache Krankschreibung nicht mehr aus. Sie fordern nun genaue Symptombeschreibungen der Krankheit. Gehen sie damit zu weit?
VON Saskia Fritsch
Mehr lesen

Catch and Release

Fast nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Diskussionen um die Sportfischerei wie in Deutschland. Darf der Fisch wieder zurück ins Wasser? Was ist ein vernünftiger Grund, einen Fisch zu töten? Hier gehen die Meinungen der Sportfischer auseinander.
VON Caspar von Villebois
Mehr lesen

Belästigung im Alltag

Kussgeräusche, Hinterherpfeifen oder abwertende Kommentare: CatcallsofHannover wollen diese Situationen nicht mehr unbemerkt lassen. Sie machen mit ihren Ankreidungen auf das Thema und die alltägliche Belästigung auf der Straße aufmerksam.
VON Annika Trzensimiech