Verappt und getrackt: 5 Fakten über die digitale Selbstvermessung

Unsere digitale Lebensbegleitung lenkt uns ab, motiviert uns, mit ihr teilen wir unsere Gedanken. Durch immer besser werdende Technologien wird sie immer attraktiver und ihr Platz in unserem Leben stets größer. Das Leben scheint „verappt“ zu sein. Folgende Fakten klären auf.

Der Tracking-Markt boomt. Was hat es mit dem Wahn der digitalen Selbstvermessung auf sich?

Selbstvermessungs-Apps …

… basieren auf alten Annahmen Abraham Maslows.

Produktiver, sportlicher, beliebter – keine neuartigen Lebensziele. Die Ausschöpfung des eigenen Potenzials definierte der amerikanische Psychologe Abraham Maslow bereits 1943 als höchstes menschliches Bedürfnis. Selbstvermessungs-Apps dienen dazu, sich selbst zu reflektieren, eigene Gewohnheiten zu erkennen und zu ändern. Ganz im Sinne von Maslow: „Was es braucht, um einen Menschen zu ändern, ist seine Selbstwahrnehmung zu verändern.“

… etablieren sich als Personal Trainer.

Kein Workout ohne Tracking und Süßes schmeckt nicht mehr, seitdem Statistiken die Kalorienmengen veranschaulichen. Fitness- und Ernährungs-Apps ermahnen permanent zur Disziplin. Wer einmal begonnen hat, sich das Sportprogramm einzurichten, bleibt häufig im Tracking-Bann gefangen. Schließlich begutachtet kein menschlicher Coach so treu und konkret erreichte Sporterfolge. Fitness-Apps als Personal Trainer werden immer attraktiver für Nutzende und sind zugleich ein boomendes Geschäftsmodell: Einer Prognose von Statista Digital Market Outlook zufolge hat sich der weltweite Umsatz von Fitness-Apps seit 2017 fast verdreifacht. Bis 2024 könnte der Markt auf über 150 Millionen Euro anwachsen.

… als Spiegelbild der Seele?

Nicht nur Erfolgsdaten, auch Gefühle lassen sich tracken. Wie ein digitales Tagebuch erfassen sogenannte Mood-Tracking-Apps Stimmungen und Gefühlszustände. Apps wie MindDoc gehören mit über drei Millionen Downloads zu den beliebtesten Apps in diesem Bereich. Während MindDoc besonders auf die Depressionsüberwindung ausgerichtet ist, präsentieren sich Apps wie Daylio Tagebuch als Alltagsgestalter. Doch können nicht personalisierte Anwendungen dem persönlichen Gefühlswirrwarr gerecht werden? Beim Gefühlstracking gilt: Nicht das schnellstmögliche Abhaken, sondern der Weg zur Selbsterkenntnis ist als Ziel festzuhalten. Im Fall der Fälle bleiben psychische Beratungen oder Freundschaftsgespräche wohl dennoch das heilsamere Seelenpflaster.

… transformieren das Gesundheitswesen.

Möglichkeiten des Gesundheitsscreenings gelten hierunter als besonders vielversprechend. Apps und Wearables wie Smartwatches würden symptomatische Auffälligkeiten wie einen gestörten Herzrhythmus präventiv diagnostizieren können, stellt Digital-Health-Experte Florian Schumacher als wertvolle Chance heraus. Seiner Einschätzung nach würden digitale Innovationen Arztbesuche zur Vorsorge und Kontrolle zukünftig minimieren können, sofern der Transfer von Gesundheitsdaten an den Arzt durch digitale PatientInnenakten erleichtert werde. Zudem müsse die App-Qualität gesichert und der hohe Deckungsbeitrag pro NutzerIn aufgefangen werden. Ein tragfähiges Geschäftsmodell durch Krankenkassen erscheint dafür notwendig. Auch, um die noch zwiegespaltenen ÄrztInnen zu überzeugen: Nur zwei Prozent der befragten ÄrztInnen einer Bitkom-Umfrage aus dem Jahr 2020 gaben an, bereits Gesundheits-Apps verschrieben zu haben.

… als eingebautes Selbstbelohnungssystem.

Unsere digitale Lebensbegleitung wird zum Sportcoach, Gesundheitsberater und Seelsorger. Zusätzlich bietet sie uns Räume zum Vergleich mit anderen, deren Erfolgswert zur eigenen Mindestanforderung wird. Selftracking wird zum persönlichen Selbstbelohnungssystem. Es verleitet uns, den vergangenen Tag bloß daran zu messen, wie erfolgreich, gesund und produktiv wir waren. Doch müssen wir uns tatsächlich maschinengleich optimieren? Bei diesem Optimierungswahn besteht die Gefahr, dass das glücklich sein auf der Strecke bleibt. Wie bei vielen Dingen im Leben gilt, das Maß ist entscheidend.

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