Oft in Verbindung gebracht mit schnellen Abnehmerfolgen, purzelnden Kilos und enormen Muskeln. Die Vorstellung, dass Fitness einfach zu kaufen ist, mag zwar schön sein, aber ist es wirklich so einfach?
Die Menschen setzen sich mit ihrer Gesundheit und Ernährung mehr auseinander denn je. Das geht auch aus dem aktuellen „Trendreport Ernährung 2022“ von der BZfE (Bundeszentrum für Ernährung) hervor. Neben klimafreundlicher und nachhaltiger Ernährung, veganen und pflanzlichen Produkten befindet sich das Bewusstsein für gesunde Ernährung weit vorne auf der Trendliste. Und das ist auch gut so, wenn man sich die Vorteile eines gesunden Lebensstils und den Einfluss der Ernährung auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit anschaut.
Auf dieses Interesse reagiert auch die Industrie in vielerlei Hinsicht. Das gute Image der Proteine wird verwendet und jeglichen Produkten hinzugefügt. Die Hersteller müssen sich nach der Health Claims Verordnung richten. Diese regelt gesundheitsbezogene Aussagen und schreibt vor, dass „hoher Proteingehalt“ nur auf einem Produkt stehen darf, wenn mindestens 20 Prozent der enthaltenen Energie aus Proteinen stammt. Damit Produkte wie Brot oder Nudeln als proteinhaltig gelten, wird Weizeneiweiß zugesetzt. Bei anderen Produkten auch Molkeneiweiß, Soja- oder Lupineneiweiß.
Was sind Proteine und wozu werden sie benötigt?
Proteine sind die Bausteine des Körpers und damit unabdingbar für den Menschen. Sie werden im Stoffwechsel von Lebewesen gebildet und sind ein wichtiger Bestandteil der Zellstrukturen. Das Wort Protein wird aus dem griechischen Wort Proton für „das Erste, das Wichtigste“ abgeleitet. Da Proteine unter anderem Baumaterial für Muskeln, Organe und Blut sind, ist die Versorgung lebenswichtig für den Körper. Ein Teil der Aminosäuren, aus denen sie bestehen, kann der Körper selbst produzieren, aber eben nicht alle.
Deswegen müssen andere dieser Aminosäuren mit der Nahrung aufgenommen werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt dabei für Erwachsene ab 19 bis unter 65 Jahren 0,8 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Wichtig ist dabei aber, dass besondere Situationen mehr Eiweiß erfordern. Das ist der Fall bei SportlerInnen, Kindern und Säuglingen, Schwangeren und Stillenden sowie Personen, die zum Beispiel aufgrund von Krankheiten einen Eiweißmangel aufweisen.
Proteine für die schlanke Linie?
Proteine sind wichtig für den Körper, das ist keine Frage. In den sozialen Medien, vor allem auf Instagram geht der Trend, aber in eine ganz bestimmte Richtung. Mit Protein soll Abnehmen so leicht wie nie zuvor sein. Dass Proteine einen Einfluss auf die Sättigung und den Stoffwechsel haben sollen, macht sie spannend für viele VerbraucherInnen. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erzielten Lebensmittel aus dem Spektrum „proteinreich“ ein durchschnittliches Umsatzplus von mehr als 60 Prozent in den letzten vier Jahren.
Untersuchungen der DGE zeigen, dass eine kurzfristig erhöhte Proteinzufuhr tatsächlich Vorteile beim Abnehmen bieten können. Mit zunehmender Dauer dieser Ernährungsweise verschwindet der Effekt allerdings.
Der Grundsatz bei einer Gewichtsabnahme ist: Auf die tägliche Kalorienzufuhr und den eigenen Kalorienbedarf achten. Wer sich im Kaloriendefizit befindet, nimmt ab. Protein allein macht also nicht schlank.
Protein-Zusatz sinnvoll?
Kann zusätzliches Protein denn trotzdem sinnvoll sein? Grundsätzlich sollte klar sein, dass jeder seine Proteine mit natürlichen Lebensmitteln decken kann. Der unkontrollierte Konsum von High Protein Produkten kann für bestimmte Menschen auf Dauer sogar bedenklich sein. Dabei muss die Personengruppe beachtet werden. Bei einem jungen, gesunden Menschen wird eine Überdosis an Protein unwahrscheinlich sein. Der Körper signalisiert meistens deutlich, wenn er genug von etwas hat. Für Vorerkrankte oder Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion kann der übermäßige Konsum allerdings gefährlich sein, so Eva C. Marschal, staatlich geprüfte Diätassistentin am Herzogin Elisabeth Hospital Braunschweig.
Man kann also nicht pauschal sagen, dass zugesetzte Proteine in jedem Fall keinen Sinn ergeben. Eva C. Marschal verweist zum Beispiel darauf, dass Menschen ab 65 Jahren laut der DGE ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht benötigen. Für ältere Menschen, die meist weniger Nahrung zu sich nehmen, kann zusätzliches Protein durchaus helfen, den Tagesbedarf zu decken.
Des Weiteren empfiehlt die DGE eine erhöhte Proteinzufuhr für ambitionierte Breiten- sowie Leistungssportler.
„Im ambitionierten Breitensport und Leistungssport (mind. 5 Stunden Training pro Woche) kann eine sportart- und belastungsspezifisch angepasste Proteinzufuhr den Trainingsprozess sinnvoll unterstützen und die Leistungsbereitschaft fördern“
Die International Society of Sports Nutrition und das American College of Sports Medicine empfehlen je nach Sportart und Trainingsziel, -intensität, -umfang oder Wettkampfphase eine flexibel angepasste Proteinversorgung mit circa. 1,2 bis 2,0 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag.
Aufpassen bei Zuckerfallen
Das Problem ist in den meisten Fällen also nicht das Protein an sich. Bei den stark im Trend stehenden Produkten wie einer High Protein Müllermilch sind oft noch andere Inhaltsstoffe wie Zucker enthalten und eins ist klar: Zucker ist für jeden Menschen in hohen Maßen bedenklich. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt für einen durchschnittlichen Erwachsenen (bei einer Kalorienzufuhr von 2.000 Kilokalorien pro Tag) nicht mehr als 50 Gramm freien Zucker pro Tag. Der Begriff „freier Zucker“ umfasst alle Monosaccharide und Disaccharide, die der Nahrung zugesetzt werden sowie den natürlichen Zuckergehalt von Honig, Sirup oder Fruchtsäften. Zucker aus Obst und Gemüse schließt er nicht mit ein.
Der Protein Pudding von Dr. Oetker in der Geschmacksrichtung Schoko wirbt mit 40 Gramm Protein pro Becher. Das ist gut. Wenn man davon ausgeht, dass jemand 0,8 Gramm Protein oder mehr zu sich nehmen möchte.
Der Proteingehalt bezieht sich dabei auf den gesamten Becher, also 40Gramm. Dabei kommt man zwar auf die 40 Gramm Eiweiß, allerdings auch auf 18,4 Gramm Zucker.
High Protein Produkte: doch nur rausgeworfenes Geld?
Die Makronährstoffe der High Protein Produkte sind in vielen Fällen besser im Vergleich zu herkömmlichen Produkten der gleichen Art. Das Problem sind die Mikronährstoffe. Denn Vitamine und Nährstoffe bieten Schokopudding und Co. meistens nicht.
Wer aber nicht darauf verzichten möchte und diesen dann durch eine High Protein Variante ersetzt, ist damit besser bedient.
Seine Ernährung sollte man nicht auf diese Produkte aufbauen. Es sind schließlich immer noch Fertigprodukte, die in einer gesunden und ausgewogenen Ernährung, wenn überhaupt, den kleinsten Teil ausmachen sollten.
Sie gleich zu verteufeln, muss man dennoch nicht. Wichtig ist das Bewusstsein darüber, was man damit isst. In den meisten Fällen ist es immer noch eine „etwas gesündere“ Süßigkeit. Und wer sich verspricht, mit Protein-Lebensmitteln direkt Gewicht reduzieren zu können, liegt falsch.
Jannes Beyer, leidenschaftlicher Sportler und Fitnesstrainer: „Für den schnellen Hunger können sie bestimmt helfen, seine Eiweißquellen sollte man darauf jedoch nicht reduzieren. Grundsätzlich sollten sie weiterhin als „Snack“ gesehen werden und nicht zum Beispiel das Frühstück ausmachen.“
Wie Proteinbedarf am besten decken?
Ausgewogen und natürlich!
Denn Proteine unterscheiden sich voneinander. Man spricht in dem Fall von der biologischen Wertigkeit. Natürliche Proteinquellen haben eine höhere biologische Wertigkeit. Ideal ist die Kombination aus tierischen und pflanzlichen Eiweißen, diese weisen das volle Spektrum an unentbehrlichen Aminosäuren auf.
Dazu eine kurze Rechnung: Die empfohlenen 0,8 Gramm am Tag pro Kilogramm Körpergewicht sind bei einer Person mit einem Gewicht von 70 kg 56 Gramm Protein am Tag. Eine 500 Gramm Packung Magerquark allein hat schon 60,0 Gramm Protein. Abgesehen davon enthält Magerquark viel Zink, Kalzium, Magnesium und Kalium.
„Als ich meinen Trainingsschein gemacht habe wurde mir ans Herz gelegt, mit 1,5g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu rechnen, mittlerweile pendelt es sich bei circa zwei Gramm pro Kilogramm ein.“ Jannes Beyer selbst deckt seinen Eiweißbedarf primär mit Sojaprodukten, Eiern, Magerquark sowie Hülsenfrüchten.
Augen auf beim Kauf hilft!
Bei der Nährwerttabelle sollte man allerdings genauer hingucken: Oft wird deutlich: Kostet viel und bietet weniger als natürliche Proteinquellen.
„Wie bei vielen Dingen spielt das Marketing eine große Rolle. Ich ertappe mich zwar nicht mehr so häufig dabei, blind das bestaussehende Produkt zu kaufen, aber auch nur weil ich jahrelang erprobter Student bin und mein Geld zusammenhalten muss“, so Jannes Beyer. „Deswegen selbst die Nährwertangaben prüfen bevor man den Werbesprüchen oder der Verpackung verfällt.“
Nicht nur bei den Nährwerten sollte man die Augen offenhalten, auch die Zutatenliste zu checken kann sinnvoll sein. Teilweise enthalten die beliebten Snacks Inhaltsstoffe wie Carageen, auch als E407 bezeichnet, welcher im Verdacht steht chronische Darmerkrankungen zu fördern.
Ob einem der durchschnittlich zweieinhalb Mal so hohe Preis im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln, sowie enthaltene Zusatzstoffe diese „extra Portion“ Protein wert sind, muss jeder für sich selbst beantworten.
Bedacht werden sollte außerdem, dass an gut beworbenen Produkten immer auch jemand Geld verdient. Die Industrie reagiert auf den Trend der bewussten Ernährung und auf die Nachfrage nach proteinreichen Lebensmitteln. Also lohnt sich in vielen Fällen der Protein-Trend für die Industrie mehr als für den Verbraucher.
Was ist denn dann der Schlüssel zum Erfolg?
Wer sich bewusst ernähren möchte muss nicht auf teure Proteinprodukte zurückgreifen. Am besten ist es so viele Produkte wie möglich zu kaufen, auf die gar keine Werbung oder Scores geschrieben werden kann. Mit Obst und Gemüse macht man nie etwas falsch.
Jannes Beyer sagt dazu folgendes: „Je nachdem was für ein individuelles Ziel man verfolgt, muss man dann die Nährstoffverteilung an den jeweiligen Kalorienumsatz anpassen.
In jedem Fall würde ich mit vielen unverarbeiteten Lebensmitteln wie Haferflocken, Vollkorn sowie genügend Gemüse arbeiten“.
Wichtig ist das Bewusstsein für eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Dazu gehört auch der Genuss ohne Verbote. Es ist okay, einen Pudding oder einen Schokoriegel zu essen, wenn man das möchte und wenn man diesen durch eine „High Protein“ Variante ersetzt. Entscheidend ist, dass ein Pudding immer noch ein Pudding bleibt und somit zu den Genussmitteln zählt.
Ernährungsberaterin Eva C. Marschal verweist auf die zehn Regeln nach der DGE. Sie rät dazu sich vor allem abwechslungsreich und ausgewogen zu ernähren, sich ausreichend zu bewegen und wenig verarbeitete Produkte zu essen. Wichtig ist auch das bewusste Essen.
Sprich: ohne Ablenkung durch Fernseher, Smartphone und Co. und gerade nach langer Pandemie kann das gemeinsame Kochen und Essen sehr schön sein.