Im Jahr 2022 gab es ca. 1,57 Millionen Alleinerziehende von minderjährigen Kinder in Deutschland. Diese haben einen Anspruch auf Unterhalt von dem jeweiligen anderen Elternteil, bei welchem das Kind nicht lebt. Vorausgesetzt es gibt ein weiteres Elternteil, welches auch die finanziellen Mittel besitzt, die Unterhaltszahlungen leisten zu können. Dabei unterscheidet man in Naturunterhalt, sprich die Kosten, die das Elternteil, bei welchem das gemeinsame Kind wohnt, übernimmt. Dies sind meist Alltagskosten, wie Verpflegung und Wohnkosten, aber auch Geld für Schulbücher, Kleidung, Freizeitaktivitäten etc. Auf der anderen Seite hierbei gibt es den Barunterhalt, den das andere Elternteil an den oder die Alleinerziehende zahlt. Dies erstmal zum Thema Unterhalt im Generellen und wofür dieser dient. Aber um welche Reform handelt sich überhaupt und wie sieht es bei den Alleinerziehenden in der Realität wirklich aus. Hierzu wurde auch eine Betroffene befragt.
Im August diesen Jahres wurden die Eckpunkte von einer gewünschten Reform des Unterhaltsrechts von Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, Mitglied der FDP, vorgestellt, welche unter anderem die Kürzung des Unterhalts bei mehr Betreuung beinhaltet. Aus der Pressemitteilung geht hervor, dass vor allem Trennungsfamilien, in welchen beide Elternteile die gemeinsame Betreuung des Kindes oder der Kinder übernehmen, besser berücksichtigt werden müssen. Bisher ist das Gesetz noch so, dass es ein Elternteil gibt, welches die meiste Betreuung übernimmt und das andere muss den Unterhalt zahlen. Für Fälle, in denen die Realität anders aussieht, was laut Herrn Dr. Buschmann immer häufiger vorkommt, gibt es keine passenden Richtlinien. Das Bundesjustizministerium möchte hierfür genau diese einführen. Denn wenn beide einen wesentlichen Anteil an der Betreuung übernehmen, dies aber nicht berücksichtig werde und ein Elternteil, in der Realität in Deutschland häufig der Vater, dennoch den alleinigen und vollen Barunterhalt bezahle, sei dieses nicht gerecht.
Es wird hierbei in der Mitteilung von einem „echten Familiengesetz“ gesprochen und setzt das Kindeswohl als obersten Maßstab. Denn weniger Streit bei Eltern bzgl. des Unterhalts, übe sich auch positiv für die Kinder aus. In der Vorstellung seines Reformvorschlags gab der Minister an: „Es soll erstmals klar geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Betreuungsleistung des mitbetreuenden Elternteils zur Senkung der Unterhaltslast führen kann.“ Er versicherte auch, dass dies nicht Alleinerziehende betreffen wird, die sich gänzlich allein oder fast ganz allein um das Kind oder die Kinder kümmern. Auch betrifft es nicht die Familien, die sich die Betreuung genau zu Hälfte teilen, da es hierbei bereits Lösungen gibt.
Es gilt also für all diejenigen, bei welchem es einen wesentlichen Anteil an der Obsorge gibt, aber keine exakten Aufteilung zur Hälfte. Es wird von einem „symmetrischen Wechselmodell“ gesprochen. Dieses Modell soll laut Pressemeldung in Familien vorliegen, wenn der „Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteils mehr als 29 % beträgt“. Ab dieser Schwelle soll dann die vorgestellte Neuregelung greifen. Der Anteil wird dann aus den Übernachtungen des Kindes bzw. der Kinder im Jahr berechnet. Daneben beinhaltet der neue Reformvorschlag auch eine Angleichung der Regeln für Elternpaare, die vorher nicht verheiratet waren und eine neue gesetzliche Regelung des notwendigen Selbstbehalts. Laut der erhaltenen Aussage eines Pressesprechers des Bundesministerium für Justiz, arbeitet dieses gerade an dem Gesetzesentwurf hierzu und dieser soll voraussichtlich dieses Jahr noch veröffentlicht und ins Parlament gebracht werden. Ziel hierbei sei es, das Gesetzgebungsverfahren noch vor der nächsten Bundestagswahl abzuschließen. Im Januar 2024 gab es keine neuen Informationen, ob die Veröffentlichung des Entwurfs noch 2023 erfolgt ist.
Doch wie sieht hierbei der Alltag von Alleinerziehenden wirklich aus und was sind ihre Wünsche für mögliche Reformen für den Unterhalt. Dies hören wir selbst von einer betroffenen alleinerziehenden Mutter.
Aber nicht nur Betroffene selbst haben hierzu eine Meinung, auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter, kurz VAMV, hat zu der gewünschten Reform eine Stellungnahme im September 2023 veröffentlicht. Da sie aus zeitlichen Gründen für ein Interview nicht zur Verfügung standen, sind ihre Ansichten hierzu aus dieser entnommen. Der Verbund kritisiert viele Punkte des Reformvorschlags und stellt deutlich, dass dieser dem Ziel eines neuen und fairen Unterhaltsrechts nicht entspreche. Es wird bemängelt, dass die Reform in der Realität eher Nachteile für das alleinerziehende Elternteil und auch für das Wohl des Kindes mit sich bringe. Da die Kürzungen ab einem Prozentsatz von 30 Prozent erfolgen können, fragt sich der Verband, ab wann jemand als alleinerziehend gilt. Wenn jemand, der 70 Prozent der Betreuung übernimmt, nicht mehr als alleinerziehend gelten wird, dann dient die Reform laut ihnen eher dazu, Alleinerziehende „weg zu definieren“ und dies sei alles, aber nicht fair. Diesen Prozentsatz bewerten sie negativ, denn bei diesem hat der Alleinerziehende dennoch den Großteil der Kosten, wie Essen, Miete oder auch Handyverträge etc. zu tragen.
Generell wird das Ignorieren von diesem Naturunterhalt bemängelt. Hierbei sei auch zu sehen, dass bei einem solchen Anteil einer Betreuung, der alleinerziehende Teil der Eltern, dennoch die meiste Betreuungszeit innerhalb der Woche übernehme und es somit keine positiven Auswirkungen auf seinen beruflichen Weg hätte. Es würde dadurch nicht genug Zeit abgenommen werden, um einer anderen Tätigkeit oder einer Stundenerhöhung im Beruf nachgehen zu können. Es wird dabei auch nicht die Aufteilung der Betreuung und Kosten zwischen den Paaren vor der Trennung berücksichtigt und dass der Alleinerziehende häufig derjenige ist, der vorher die meiste Betreuung übernommen und dafür seine berufliche Tätigkeit eingeschnitten hatte. Da dieser Einschnitt nicht wegfalle und dennoch eine Unterhaltskürzung mit sich zieht, sieht der Verband eine Gefahr der Erhöhung der Armutsgefährdung für das Kind und den Alleinerziehenden, die in Deutschland generell schon höher ist als bei anderen Gruppen. Eine fixe Betreuungsquote von 33 bis zu 67 Prozent würde der Verband allerdings mehr unterstützen, da dies die Situation ändere.
Abschließend fordert der Verband VAMV bei einer Reform: „(…) Eine spürbare Anhebung der Unterhaltshöhe im paritätischen Wechselmodell zu sorgen, damit die Existenz des Kindes auch im Haushalt des geringer verdienenden Elternteils gesichert ist. Voraussetzung dafür ist eine angemessene Berücksichtigung der Wechselmehrkosten.“ Denn aktuell könne der Reformvorschlag so das Ziel eines fairen Unterhaltsrechts für Trennungsfamilien nicht erreichen.
Letztendlich hatte sich der Bundesjustizminister zu der Kritik gegenüber der „Bild am Sonntag“ auch geäußert und diese Äußerung hatte der Pressesprecher ebenfalls mitgeteilt: „(…) Ich habe in den letzten Tagen mitbekommen, dass manche Alleinerziehende Sorge haben, dass die Reform sie schlechter stellen könnte. Ich weiß, dass viele Menschen hier Tag für Tag Großartiges für ihre Kinder leisten. Eltern, die sich ganz allein um ihr Kind kümmern, werden nicht betroffen sein. Uns geht es um die Familien, in denen sich beide Eltern spürbar in die Betreuung einbringen. Wir brauchen hier eine faire Verteilung der Unterhaltslasten. Und das heißt selbstverständlich: Die Reform darf niemanden in finanzielle Bedrängnis bringen – schon gar nicht das Kind. Denn das Kindeswohl steht für uns im Mittelpunkt.“
Am Ende lässt sich also nur abwarten, ob und wie die Reform als Gesetz verabschiedet wird und ob die Befürchtungen von betroffenen Alleinerziehenden und dem Verband Realität werden oder nicht.