Zurück in die Zukunft

Schallplatten und Schlaghosen, Filmkameras und Flohmärkte, Rennräder und Rattansessel – Trends aus vergangenen Jahrzehnten sind schon seit einiger Zeit vermehrt in der Gegenwart aufgetaucht. Doch warum begeistern wir uns so sehr für Retro- und Vintage-Trends?

Das Herbeisehnen der Vergangenheit ist bei weitem kein Trend, der erst in den letzten Jahren aufgekommen ist. Bereits im 19. Jahrhundert hatten sich die Menschen schon längst vergangene Stilbilder herbeigesehnt und vor allem Gebäude wie beispielsweise Kirchen mit Elementen aus vergangenen Architekturzeitaltern verziert.
Auch heutzutage leben in immer mehr Bereichen vergangene Trends wieder auf, die man auf der Straße, im Internet oder auch im Marketing von Unternehmen beobachten kann. Das sind alte Filmkameras, Schallplatten, Logos, Möbel. Auch die Popkultur mit Reboots alter Serien ist dem Trend verfallen. Immer mehr orientieren wir uns an vergangenen Stilrichtungen und Produkten.

Wörter wie Retro oder Vintage fallen in diesem Zusammenhang regelmäßig. Beide beschreiben Stile aus vergangenen Jahren oder sogar Jahrzehnten. Der Begriff Vintage bezieht sich allerdings auf die tatsächliche Entstehungszeit des Produktes, ist also mindestens 20 bis 25 Jahre alt. Retro hingegen bezieht sich rein auf den Stil, stammt allerdings aus unserer heutigen Zeit und ist somit lediglich auf „alt“ gemacht. Man besinnt sich also auf die ursprüngliche Epoche des Stils zurück und kreiert daraus etwas Neues. Dieses Phänomen lässt sich in den letzten Jahren vor allem am Beispiel von Modetrends sehr gut beobachten. Trends wie Schlaghosen oder bestimmte Muster wurden wieder aufgegriffen, sind aber mit Materialien genäht, die für die heutige Zeit typisch sind. Auch bei Schallplatten und Plattenspielern gibt es die Technik mittlerweile in deutlich besserer Qualität und anderer Optik als zu der Entstehungszeit 1887.

Doch woher kommt das Bedürfnis, sich an Vergangenem zu orientieren und alte Trends wieder aufleben zu lassen? Für die Generation der Millennials dürfte es sich vor allem um ein Nostalgiegefühl handeln, welches mit dem Herbeisehnen der Jugend einhergeht. Nostalgie bedeutet Optimismus und die Hoffnung, diese guten alten Zeiten wieder aufleben lassen zu können. Dies stellte in dem Zusammenhang die Professorin Christy Wampole fest. Das Gefühl von Freiheit von vergangenen Jahren, obwohl man sich an diese kaum erinnern kann, sowie eine „früher war alles besser“-Attitüde nennt sie als Gründe für das heutige Aufleben von ehemaligen Stilrichtungen.

In der Generation Z lässt sich das Verfolgen längst vergangener Trends mit einer Gegenwartsflucht erklären sowie einer höheren Identifikation mit der vergangenen Zeit. Außerdem sind beispielsweise durch analoge Fotografie oder die Jagd nach besonderen Vintage-Modestücken neue Hobbys entstanden, die vor allem durch das Teilen im Internet einen sehr großen Hype erlebt haben. Die visuell Kreativen der Generation Z sind insbesondere auf Pinterest unterwegs, einem sozialen Netzwerk, welches die Erstellung von Online-Pinnwänden mit Grafiken und Fotografien ermöglicht. Dort gibt es mittlerweile 37 Millionen „aesthetic boards“, die Retro-Popkultur der 1990er Jahre als eines der häufigsten Themen. Laut der aktuellen Shell-Studie, einer empirischen Untersuchung der Jugendlichen in Deutschland, ist außerdem der Optimismus der jüngeren Generation seit 2016 gesunken. Dadurch ergibt sich ein höheres Bedürfnis, der Gegenwart zu entfliehen und sich an vergangenen Zeiten zu orientieren. Der Blick in die Vergangenheit vermittelt uns ein sicheres und beruhigendes Gefühl, insbesondere im Vergleich zur Ungewissheit der Zukunft.

Total
0
Shares
Ähnliche Beiträge
Mehr lesen

Sani(un)fair?

Sanifair betreibt dort saubere Toiletten, wo man ihnen kaum ausweichen kann und verlangt dafür bis zu einem Euro Benutzungsgebühr. Ist das richtig und wer verdient eigentlich daran?
VON Alicia Klawitter
Mehr lesen

Die Angst vor dem anderen Ende der Leitung

Was tun, wenn das Annehmen eines Anrufs deine größte Angst ist? Dieser Frage sind Telephonophobiker tagtäglich ausgesetzt. Sie haben, wie es der Name schon andeutet, Angst vor dem Telefonieren. Auch unser Autor Iorvik kennt dieses Problem.
VON Iorvik Verhoeven
Mehr lesen

Wenn aus Fassaden Kunstwerke werden

Sebastian Meyer ist Graffitikünstler aus Leidenschaft. Was mit einem Hobby begann, hat er mittlerweile zu einem zweiten Standbein ausgebaut. Seine zahlreichen Werke finden sich an vielen Stellen in Braunschweig wieder und zeigen einmal mehr, dass Graffiti keinesfalls nur Schmierereien sind.
VON Claudia Rebecca Köhler