Das Leiden rumänischer Straßenhunde

600.000 Hunde leben auf den Straßen Rumäniens. Dort ausgesetzt, vermehren sie sich unkontrolliert weiter. Organisationen wie die Glücksfellchen Tierhilfe arbeiten mit privaten Sheltern zusammen und vermitteln die Hunde unter anderem nach Deutschland.

Johnny und Angel haben es geschafft. Seit einem beziehungsweise zwei Jahren leben sie in Deutschland bei ihrer Besitzerin Waltraud. Das Alter der beiden Hunde kann nur geschätzt werden, denn sie wurden nicht bei TierzüchterInnen aus der Umgebung gekauft, sondern stammen ursprünglich aus Rumänien. Um ihr Überleben kämpfend, lebten die beiden auf der Straße. Immer auf der Suche nach Futter. Ihre Geschichte teilen die beiden mit vielen weiteren Hunden.


Tausende Hunde leben ausgesetzt oder schon ihr Leben lang auf den Straßen Rumäniens. Auf Müllhalden, Friedhöfen und vor Supermärkten suchen sie nach Futter und leben oft in Rudeln zusammen. Das Leben an einer kurzen Kette im Vorgarten ist für Hunde in Rumänien nichts Ungewöhnliches. Ein Familienleben kennen sie nicht. Jeder Hund hat seine eigene Geschichte und die ist meistens nicht schön. Sie werden nicht nur mit Steinen beworfen und mit heißem Wasser übergossen, sondern auch geschlagen, getreten und vertrieben. Natürlich gibt es auch Familien, in denen der Hund geliebt wird und im Haus leben darf, aber oftmals ist das Gegenteil der Fall und sie werden schließlich ausgesetzt.
Die Tierheime (Shelter) in Rumänien, die auch den Begriff „Heim“ verdienen, werden meist von Privatleuten oder Tierschutzorganisationen betrieben. Staatliche Shelter sind hingegen meist eine Art Sammellager. Nach Informationen von PETA existieren Tierheime, wie sie aus dem westeuropäischen Kontext bekannt sind, in Ländern wie Rumänien meist nicht. Ein Grund dafür seien die zu geringen Vermittlungsraten von Tieren, weswegen es so gut wie keine Adoption von Vierbeinern aus Tierheimen gäbe.
Durch das in 2013 geltende Tötungsgesetz in Rumänien sei es erlaubt gewesen, Hunde auf Straßen einzufangen und zu städtischen Tierheimen und Tötungsstationen zu bringen. Seit Juni 2014 dürfen die Hunde zumindest nicht mehr offiziell getötet werden. In vielen Sheltern geschieht dies jedoch weiterhin. In den Tötungsstationen gilt dabei meist eine Frist von 14 Tagen, nach der die meisten Hunde getötet werden. Pro gefangenen Hund zahlt der Staat eine Prämie von bis zu 50 Euro an die HundefängerInnen. „So viele Hunde in Rumänien am Straßenrand zu sehen und zu wissen: Ich kann euch nicht allen helfen, ist sehr schlimm“, sagt Silke Theobald, zweite Vorsitzende der Organisation Glücksfellchen Tierhilfe. Bisher habe Silke selbst nur die privaten Sheltern besucht, mit denen die Organisation zusammenarbeitet. In Rumänien könne jeder Hund froh sein, der nicht gefangen wird und dann in so ein Shelter gebracht wird, erzählt sie weiter. Die Möglichkeiten von Organisationen wie die der Glücksfellchen Tierhilfe sind natürlich begrenzt, aber „wir versuchen so viel wir können“, betont Silke Theobald.

Hilfe von Tierschutzorganisationen

Die Glücksfellchen Tierhilfe, mit Sitz in der Wedemark, ist eine von vielen Organisationen, die sich dem Tierschutz in Rumänien verschrieben haben. 43 ehrenamtliche Teammitglieder setzen sich für die Hunderettung sowie Hundevermittlung rumänischer Hunde nach Deutschland ein. Die Organisation ist ein gemeinnütziger Verein und auf Spenden angewiesen. Schutzgebühren bekommen direkt die TierschützerInnen für ihre Arbeit vor Ort. Davon werden zudem der Transport, die medizinische Versorgung, die Unterbringung, Impfungen und Tierarztkosten finanziert. Schutzgebühren werden bei der Adoption eines Tieres gezahlt. Laut dem Tierheim Burgdorf solle dies verdeutlichen, dass Tiere einen materiellen und emotionalen Wert haben. Daneben diene die Schutzgebühr auch als Unterstützung, um die Kosten der vorherigen Pflege und medizinischen Versorgung eines Tieres zu decken.
Mit dem Geld unterstützt die Glücksfellchen Tierhilfe vor allem zwei Tierschützerinnen, mit denen sie täglich in Kontakt stehen. Zu diesen Haupt-Tierschützerinnen zählen Vali Bunea mit ihrem Shelter in Pitaru und Daniela Paun mit ihrem Shelter in Galati. Das Ziel der beiden ist, möglichst viele Tiere zu retten, zu pflegen und ihnen ein gutes Leben zu verschaffen. Dafür kümmern sie sich tagtäglich um die Tiere.

Durch Kastrationsaktionen und Aufklärungsarbeit vor Ort versuchen TierschützerInnen und Organisationen, die unkontrollierte Fortpflanzung und das Leid der Tiere einzudämmen. Auch die Glücksfellchen Tierhilfe bietet neben der Hunderettung Kastrationsprojekte für Streuner und deren medizinische Versorgung an. Durch Bildungsarbeit an Schulen, flächendeckenden Kastrationskampagnen und Gesprächen mit PolitikerInnen sowie BürgermeisterInnen versucht auch die Tierrechtsorganisation PETA, das Kastrationsgesetz weiter voranzubringen. Jedoch werden die Kastrationsaktionen von den RumänInnen auch ausgenutzt. Denn immer wieder werden die Hunde und Katzen, für die diese Aktionen angeboten werden, nicht wieder abgeholt. „Nach jeder Aktion hat man circa 20 Tiere mehr“, sagt Silke Theobald. Die Kastrationen sind jedoch weiterhin sinnvoll. Denn die Organisationen wollen das Vermehren der Tiere verhindern, auch wenn in Rumänien deshalb früher kastriert werden muss, als es hier in Deutschland der Fall ist. Die PETA sieht als Konzept vor, „Tiere im Anschluss an die Kastration und tierärztlichen Versorgung in das vertraute Revier zurückzusetzen und dort zu versorgen“, sofern kein Zuhause gefunden wird. Freilassen ist eine zwingende Voraussetzung, um tierschutzgerecht die Überpopulationen von Straßenhunden zu mindern.

Rettung nach Deutschland – Der Transport

Frühestens im Alter von vier Monaten sind die Hunde ausreisebereit, da sie erst dann ihren vollständigen Impfschutz haben. Wenn Interessenten einen Hund bei der Glücksfellchen Tierhilfe anfragen, wird Kontakt zu dem jeweiligen Tierschützer oder der Tierschützerin in Rumänien hergestellt. Nach dem vollständigen Impfschutz werden sie ab einem Alter von acht Monaten auf Mittelmeerkrankheiten getestet. Erst nach einer positiven Vorkontrolle können sich die Hunde auf den Weg in ihr neues Leben machen.
In der Regel werden zwischen 20 und 50 Hunde alle zwei Wochen über die Glücksfellchen Tierhilfe vermittelt. Abhängig ist dies von der Anzahl freier Pflegestellen und den jeweiligen Adoptierenden. Deutschlandweit hat die Organisation viele Pflegestellen, die den Hunden ein Zuhause auf Zeit schenken. Dort werden sie auf ihr neues Leben in Deutschland vorbereitet, bis sie ihre eigene Familie gefunden haben. „Wir möchten die Adoptierenden vorher kennenlernen“, betont Silke, „das ist bei Pflegestellen natürlich möglich.“
Transportiert werden die Hunde oft mit „CHR Pet Transport“, einem Transportunternehmen, welches sich auf den Transport von Haustieren (Hunde und Katzen) spezialisiert hat. Die Route wird dann von den TransporteurInnen anhand der Wohnorte von Adoptierenden und Pflegestellen festgelegt. Dabei fahren diese nicht nur für die Organisation der Glücksfellchen Tierhilfe, sondern nehmen auch Hunde anderer Organisationen mit. Die Übergabe der Hunde findet dann auf Plätzen in Autobahnnähe statt, jedoch nie direkt an der Autobahn. Zu hoch wäre die Gefahr, falls doch mal ein Hund entwischen sollte. Ungefähr 24 Stunden sind sie mit den Hunden aus Rumänien nach Deutschland unterwegs. Grundsätzlich gibt es drei Fahrende, die sich mit dem Fahren abwechseln. Dabei reisen die Tiere in klimatisierten Transportern und werden während der Fahrt regelmäßig kontrolliert, berichtet Silke Theobald. „Die Boxen sind groß genug, sie werden unterwegs gefüttert und bekommen immer frisches Wasser.“ Da die Hunde während der Fahrt keinen Auslauf bekommen können, haben alle Hunde Welpenunterlagen, die regelmäßig ausgewechselt werden. Kommt der Transporter an, wird den Hunden im Van erstmal das Sicherheitsgeschirr angezogen und sie werden angeleint. „Dann werden sie gesichert übergeben, direkt ins Auto gesetzt, angeschnallt oder in ihre Box gesetzt“, erzählt Silke. Was danach passiert, sei in der Pflicht der Adoptierenden. „Aber bis dahin sind die Transporteure in der Pflicht.“ Bei den Teammitgliedern, sagt sie, sei das manchmal anders. Wenn Teammitglieder Hunde als Pflegestelle übernehmen, werden die Hunde direkt an die Mitglieder übergeben, denn „dann übernehmen wir die Verantwortung.“

Um jede Pflegestelle sowie deren Besetzung kümmert sich jeweils ein Pflegestellen-Betreuer beziehungsweise eine Pflegestellen-Betreuerin aus dem Team. Dabei stehen sie in fast täglichem Austausch miteinander. Die Pflegestellen haben bei der Entscheidung, welche Hunde sie aufnehmen wollen, Mitspracherecht. Auch Waltraud war als Pflegestelle bei der Glücksfellchen Tierhilfe tätig. Johnny und Angel hat sie ebenfalls über diese Organisation adoptiert. Die beiden lebten in dem Shelter von Daniela Paun in Galati, bevor sie nach Deutschland vermittelt wurden. Jeder Hund hat seine eigene Geschichte. In einem Interview erzählt Waltraud unter anderem, wie sie auf die Organisation gestoßen ist und was man als Pflegestelle beachten sollte.

Organisationen wie beispielsweise der Tierschutzbund Deutschland machen im nordwestlichen Rumänien durch Flyer, Radiospots und Banner auf Kastrationsverbote aufmerksam. Damit sollen HundebesitzerInnen an die Wichtigkeit von Kastrationen erinnert werden. Laut dem Tierschutzbund Deutschland sei dies so lange nötig, bis die Lage vor Ort geklärt sei, Tötungen nicht mehr erlaubt seien und das Freilassen sowie die betreute Versorgung durch Futter ermöglicht werden könne.
Auch durch den Einsatz von Organisationen wie die der Glücksfellchen Tierhilfe wird versucht, die Lage der Tiere in Rumänien zu verbessern. Auch wenn die Lage in Rumänien noch immer nicht optimal ist, haben schon viele Hunde ein neues Zuhause in Deutschland und anderen Ländern gefunden.

Total
0
Shares
Ähnliche Beiträge
Mehr lesen

Mit Liebe gefüllt: Überraschungen im Schuhkarton

Viele Menschen sind von Armut betroffen, darunter auch viele Kinder. „Päckchen für Braunschweig e.V.“ verschenkt weihnachtlich beklebte und gefüllte Schuhkartons. Dabei zählt der Verein auf die Unterstützung verschiedener Unternehmen, Privatpersonen und ehrenamtlicher HelferInnen.
VON Mika Maria Eckel