Sonntagmorgen, halb sieben. Alle im Haus schlafen noch. Nur das kleine Mädchen nicht. Es sitzt im Wohnzimmer vor dem Fernseher und hat die Cinderella-DVD gerade in den DVD-Player geschoben. In eine rosa Kuscheldecke gewickelt macht es sich das Mädchen auf dem Sofa bequem. Gebannt folgt es der Geschichte, die über den Bildschirm flimmert. Es kennt die Geschichte in- und auswendig. Trotzdem wird das kleine Mädchen immer wieder von ihr verzaubert. Darin geht es um ein bildhübsches Mädchen, elfengleich, das unter den Fittichen ihrer bösen Stiefmutter steht, und um einen Prinzen, der es aus diesem miserablen Zustand rettet. Cinderella wird zur Prinzessin dank ihres Helden. Ach, wie schön. So etwas will das kleine Mädchen auch. Es wollte immer die Prinzessin sein, genauso wie Cinderella: mit Tüllkleid und tollen Haaren auf glamouröse Bälle gehen, auf denen man dann einen Prinzen kennenlernt. Aber was geschieht, wenn man mit zunehmendem Alter erkennt, dass das Leben so wie Cinderella es führt nicht in die reale Welt passt? Zumindest nicht so, wie es sich das kleine Mädchen ausgemalt hat. Das kleine Mädchen, das war ich. Heute will ich nicht mehr so wie Cinderella auf einen Prinzen warten. Und ich möchte auch nicht, dass der Prinz der Held in meiner Geschichte ist, so wie er es in Cinderellas war. Nur diese wunderschönen Kleider, die will ich schon! Und auch einen Palast ganz alleine für mich, in dem dann aber nur ich bestimmen kann! Denn ich brauche nicht auf meinen Prinzen hoffen und warten. Das kleine Mädchen in mir und ich nehmen unser Leben selbst in die Hand. Ich will jetzt vielmehr so sein wie die moderne Disney Prinzessin „Vaiana“. Sie wird zur Heldin der Geschichte. Vaiana kommuniziert das deutlich, indem sie ihren männlichen Gefährten, „Maui“ mit den Worten „Du bist nicht mein Held!“ zurechtweist. Auch diese Geschichte verfolge ich gebannt zusammen mit dem kleinen Mädchen in mir, das in diese rosa Kuscheldecke eingewickelt ist. Auch mit dieser Heldin kann ich mich identifizieren. Ich kann diese Prinzessin sein, die ich immer sein wollte, aber unabhängig. Ich male mir mein eigenes Reich aus, in dem ich und das kleine Mädchen in mir bestimmen. Denn wer sagt denn, dass man die Welt nicht auch im Tüllkleid retten kann?
Der Prinz ist der Held in der Geschichte. Das hat das kleine Mädchen so gelernt. Aber kann sie auch ihre eigene Heldin sein, ohne Prinzen?
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