Atomkraft – ja bitte?

Atomkraft wird nach einem Plan der EU jetzt als nachhaltig eingestuft. Dabei werden wichtige Probleme und Risiken aber außer Acht gelassen.

Was sich erst wie ein schlechter Witz anhört, wird in der EU wahrscheinlich bald bittere Realität. Bis 2030 soll die Investition in neue Kraftwerke als nachhaltig gelten, solange sie ältere, „schmutzigere“ Werke ablösen und bis 2035 nur noch mit klimafreundlichen Gasen wie Wasserstoff betrieben werden. Ursprünglich sollte die Grenze dafür bereits 2026 sein. Neue Werke sollen sogar bis einschließlich 2040 als nachhaltig gelten, solange bis spätestens 2050 ein Plan zur Lagerung der Abfälle vorliegt. Das Bundesamt für Sicherheit der nuklearen Versorgung warnt vor diesem Schritt, verschiedene EU-Länder protestieren und Umweltschützer wie Greenpeace und der WWF drohen mit Klage – scheinbar alles vollkommen sinnlos. Die Gegner konnten sich am 06 Juli im Europaparlament nicht durchsetzen. Ob es trotz der anhaltenden Proteste allerdings zur Umsetzung kommen wird, ist noch nicht endgültig zu sagen. Die eigentliche Frage ist jedoch, wie ein solcher Vorschlag heute überhaupt ernsthaft thematisiert werden kann.
Atomkraft soll dabei als sognannte Brückenenergie fungieren und den Übergang zu klimaneutralen Energieformen ermöglichen. So soll das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, realisiert werden. Nicht abzustreiten ist dabei, dass es durch die Produktion von Atomenergie nahezu keinen CO2– Ausstoß gibt. In diesem Punkt ist sie demnach durchaus als nachhaltig oder umweltfreundlich zu bezeichnen. Darüber hinaus ermöglicht sie die Produktion von viel Energie auf relativ kleinen Flächen. Eine Eigenschaft, die sie der Wind- und Solarenergie voraushat. Was hier aber nicht vergessen werden darf ist der Atommüll. Die Brennstäbe, die zur Energieproduktion verwendet werden, sind irgendwann aufgebraucht. Da sie nur zum Teil wiederverwendet werden können, muss der Großteil von ihnen ausgetauscht und der Rest zu Müll werden. Dieser Müll kann auch nach hunderttausenden von Jahren noch schwerwiegende Schäden an Menschen und Umwelt verursachen und ist daher definitiv nicht als nachhaltig zu bezeichnen. In Deutschland hat sich außerdem bisher noch kein sicheres Endlager für den radioaktiven Müll gefunden. Bis das irgendwann der Fall ist wird er daher in speziellen Behältern zwischengelagert. Wie soll die Entstehung neuer Werke also glaubwürdig als nachhaltig verkauft werden, wenn das Problem des Atommülls weiterhin ungelöst im Raum steht? Darauf zu spekulieren, dass bis 2050 eine Lösung gefunden wird, scheint hier definitiv zu riskant. Die verheerenden Auswirkungen, die nukleare Unfälle auf die Umwelt und viele Menschen haben würden, wird ebenfalls nicht genügend thematisiert.
Fest steht: Mit der Einstufung von Atomenergie als nachhaltige Energieform, wenn auch nur vorrübergehend, entscheidet sich die EU für den einfachsten Weg. Auch wenn der geringe CO2-Ausstoß durchaus dafürspricht und die Umstellung auf erneuerbare Energien nicht von heute auf morgen geschehen kann, werden hier Gefahren und Gegenargumente außer Acht gelassen. Investitionen in neue Werke zu fördern, ist vor dem Hintergrund, dass es immer noch keine richtige Lösung für die Endlagerung des Atommülls gibt, nicht zu rechtfertigen.

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