Eine Halle mit 1.000 Menschen und alles ist still. Ein kleines Podest in der Mitte mit zwei ProtagonistInnen, die sich gegenüberstehen und versuchen, sich mit Reimen und Punch Lines fertig zu machen. Beleidigen als Sport.
„Ein Boxkampf in Reimform. Zwei verschiedene Character, die aufeinandertreffen, die sich nicht verstecken können hinter ’nem Mikro, keine tausend Takes machen können, nichts kann geschnitten werden. Sondern es ist einfach dieser eine Moment.“, so beschreibt James Seidl, der Gründer der größten deutschen Battlerap-Liga, „Don’t Let The Label Label You!“ seine Passion.
Einmal im Monat finden dank seiner Plattform-Veranstaltungen statt, bei denen sich zwischen 400 und 1.200 Menschen versammeln, um verschiedensten BattlerapperInnen beim lyrischen Schlagabtausch zuzusehen. Es gibt mehrere Disziplinen, wie Freestyle Battles, also mit Beat, spontane Zeilen gegen den Gegner zu rappen oder acapella Battles, wo sich zwei RapperInnen mehrere Monate vor dem Event auf ein Battle vorbereiten. Acapella steht im Battlerap-Kontext dafür, dass im Battle nur die Stimme eingesetzt wird, ohne Beat. Dabei geht es darum, seinen oder seine GegnerIn mit in Reimen verstrickten Parts oder treffenden Punch Lines schlecht aussehen zu lassen.
James Seidl hat 2012 mit seinem besten Freund Hanno die Plattform „Don’t Let The Label Label You!“ gegründet und ist selbst seit 16 Jahren Fan und Battlerapper. Für ihn gibt es keine vergleichbare Kunst.
Die nischige Kultur hatte in Deutschland ihre Anfänge in den 2000ern und dank des Hypes 2010 durch „Rap am Mittwoch“, konnten die ersten viralen YouTube-Videos gefeiert werden. Es ging darum, seine Freestyle-Fähigkeiten zu beweisen. 2015 ersetzte „Don’t Let The Label Label You!“ „Rap am Mittwoch“ als größte deutsche Battlerap Plattform. Der Gründer der Liga etablierte die in England bisher bestehende Form des Battleraps in Deutschland. Dieses neue Format zeichnet sich dadurch aus, dass die Rapper*innen nach monatelanger Vorbereitungszeit jeweils drei auswendig gelernten Runden acapella im Kreis performen.
Mikesh ist mit elf Jahren zum ersten Mal durch die ersten deutschen Formate „Feuer über Deutschland“ mit Battlerap in Berührung gekommen. 2016 entschied er sich dazu, selbst in den Kreis zu gehen und battlete sich in nur drei Jahren zum Champion der Liga.
Kann man von Battlerap leben?
Battlerap hat in Deutschland nicht die Reichweite und ist noch zu sehr Subkultur, als dass die einzelnen KünstlerInnen davon leben könnten. Pro Battle bekommen die RapperInnen zwar Gagen, rein monetär fungieren die Gehälter allerdings eher als Nebeneinkunft. Im Verhältnis zum monatelangen Aufwand, der für die BattlerapperInnen entsteht, sind die Gagen nicht rentabel. Statt Geld stehen also vielmehr die Kunst und die Leidenschaft im Vordergrund.
Die einzigen, die es geschafft haben, ihr Hobby zum Beruf zu machen, sind die Veranstalter der Liga. Diese finanzieren sich und die Gagen durch die Ticketverkäufe der Events, Merchandise und YouTube-Werbeeinahmen.
Samuel Sibilski ist einer der wenigen, der sich durch Battlerap ein Business aufbauen konnte und sich jetzt durch seine Kunst finanzieren kann. 2013 wurde er auf „Rap am Mittwoch“ aufmerksam und bestritt ein Jahr später seine ersten Battles auf der Plattform. Seit einigen Jahren ist er auch Comedian und spielte im letzten Jahr seine erste Solo-Tour.
Warum ist Battlerap kein Mainstream?
Battlerap hat eine lange Geschichte und eine starke Entwicklung durchgemacht. Allerdings kommt er, Stand heute, reichweitentechnisch nicht an die breite Bevölkerung ran und ist deshalb lediglich als Subkultur zu betrachten, die sich dem Mainstream größtenteils entzieht. Der Gründer von „Don’t Let The Label Label You!“ wünscht sich für die Kultur ein organisches Wachstum, statt einer Vereinnahmung durch den Mainstream. Dadurch herrscht kein Anpassungsdruck an bestehende Konventionen. Vielleicht ist genau dieser Nischen-Charakter, das, was den Sport so einzigartig und interessant für viele Fans macht.
So meint Ssynic, der größte deutsche Battlerapper: „Battlerap ist nicht im Mainstream angekommen, dafür ist es noch zu sehr Subkultur und es wird noch zu sehr belächelt von den Obrigkeiten des HipHop Games. Aber jeder Rapper kennt uns oder ein paar Battlerapper. Es hat auch schon seinen Grund, warum die sich nicht trauen, Battlerap zu machen. Die belächeln es zwar, weil die mehr verdienen, aber die wissen halt auch, dass sie es selbst nicht könnten“. Trotzdem gibt es KünstlerInnen, die den Sprung aus der Nischen-Kultur schafften, indem sie Battlerap als Plattform nutzten und sich in der HipHop-Industrie etablierten. Beispiele dafür sind Rapper wie Capital Bra, Kool Savas und Finch Asozial.
Diversität im Battlerap
Beim Battlerap werden sich Sätze und Punch Lines an den Kopf geworfen, die man im Alltag so nicht hören würde. Alltägliche, soziale Normen werden über Bord geworfen und die KünstlerInnen können sich im Rahmen der Kunstfreiheitentfalten. Dennoch gibt es klare Tabus oder Absprachen, an die sich die BattlerapperInnen halten. So werden Grenzen akzeptiert, die vom Gegner gesetzt werden, beispielsweise in Bezug auf die Familie. Besonders bei rassistischen und homophoben Zeilen ist die Community empfindlich und so gab es in der Vergangenheit auch Grenzüberschreitungen von Battlerappern, die vom Publikum und Veranstaltern sanktioniert wurden. Battlerap zeichnet sich durch Differenzen aus. Unterschiedlichste Lebensrealitäten treffen in einem Battle aufeinander. So entsteht ein Ort des Austauschs. Durch das Gegenübertreten verschiedenster Charaktere, entstehen Auseinandersetzungen, die im Alltag undenkbar wären. Bestehende Differenzen in Bezug auf Herkunft, Sexualität, Geschlecht oder anderen sozialdemografischen Merkmalen werden thematisiert.Diese sind im Alltag unterschwellig und oft mit strukturellem Rassismus oder Ausgrenzung verbunden. Hier werden sie offen behandelt und so findet auf einer Metaebene ein Diskurs über diese Themen statt. Wie am Ende eines Boxkampfes reicht man sich danach die Hände, der lyrische Schlagabtausch endet und die Konflikte des Battles werden beiseitegelegt.
Battlerap mag noch nicht vollständig im Mainstream angekommen sein, aber seine Einzigartigkeit und Leidenschaft machen es zu einer faszinierenden Subkultur, die durch ihre Differenzen und Vielfalt besticht. Letztendlich ist Battlerap vor allem ein Duell der Worte, aber auch ein Ort des Austauschs und des Dialogs, der die verschiedenen Facetten des Lebens betont.