E-Sport: Zwischen Professionalität und Hobby

Ausverkaufte Arenen, Millionen von Live-ZuschauerInnen und Preisgelder in Höhe von bis zu 40 Millionen US-Dollar: der E-Sport-Markt ist in den letzten Jahren regelrecht explodiert. Jahr für Jahr verzeichnet er neue Umsatzrekorde – auch in Braunschweig ist der Trend angekommen.

Der Erfolgstrend des elektronischen Sports soll sich laut aktuellen Prognosen in den nächsten Jahren fortsetzen. Auch in Deutschland wird E-Sport immer beliebter. Das hohe Potenzial haben hierzulande mittlerweile rund 120 Vereine, Organisationen und Unternehmen erkannt. Darunter sogar 22 Vereine, die in der ersten oder zweiten Fußball-Bundesliga vertreten sind. Von FC Bayern München und Borussia Dortmund bis zu Vertretern wie Hannover 96, VFL Wolfsburg oder Eintracht Braunschweig ist alles dabei. Dazu sei zu sagen, dass sich die meisten der deutschen Fußballvereine im E-Sport-Sektor lediglich auf die „E-Fußball“-Spielereihe FIFA bzw. EA Sports FC beschränken.

So fing alles an

Das Phänomen des E-Sports ist heute so bekannt wie noch nie. In Deutschland haben laut einer Studie im Jahr 2023 77% der Befragten angegeben, von E-Sport gehört zu haben oder die Bedeutung zu kennen. Im Jahr 2017 lag dieser Wert nur bei 55%. Die Ursprünge des elektronischen Sports stammen aus dem Jahr 1972. Beim ersten offiziellen Videospielturnier in der Geschichte, traten 24 Kontrahenten im Spiel „Spacewar“ gegeneinander an. Die Geschichte nahm ihren Lauf: es gab die erste stationäre Videospielkonsole für den heimischen Fernseher und Arcade-Automaten, die Videospiele für mehr Menschen zugänglich machten. Im Jahr 1980 nahmen etwa 10.000 SpielerInnen an der „Space Invaders Championship“ teil. Es gab die erste internationale Bestenliste für Videospiele und das erste professionelle Videospielteam „U.S. National Video Game Team“ gründete sich. Durch Netzwerktechnologien war es 1990 erstmals möglich, Heimcomputer miteinander zu verbinden. Es folgten die ersten „LAN-Partys“ bei denen sich Gaming-Begeisterte miteinander vernetzten und gemeinsam Spiele spielten. Es gab immer mehr E-Sport Events, die immer größer und beliebter wurden. Über die Jahre kamen nicht nur immer mehr SpielerInnen in den Genuss des kompetitiven Gamings, es gab auch immer mehr Spiele und Genres. Von Ego-Shooter bis Echtzeitstrategie, von League of Legends bis Fortnite, von Playstation bis PC – das Angebot wuchs immer weiter und der elektronische Sport wurde immer beliebter.

E-Sport in Braunschweig

Enttäuschte Gesichter erheben sich aus ihren Schreibtischstühlen. „GG [Good Game] Jungs.. – Das nächste Game wird besser!“  sagt Teamkapitän Florian Kleinschmidt motivierend zu seinen Mitspielern, während er jeden einzeln abklatscht. Der 39-jährige ist Mitgründer des ersten reinen E-Sport-Vereins in Braunschweig – „Braunschweig eSports“. In der Selbsternannten „Höhle der Löwen“ trifft er sich zwei Mal wöchentlich mit seinen TeamkameradInnen, um den taktischen Shooter „Counter-Strike“ zu spielen. Heute leider erfolglos, denn die Löwen verlieren mit 0-2 gegen einen starken Gegner.

Die „Höhle der Löwen“. Foto: braunschweig-esports.de

Seit Oktober 2022 gibt es den Ort für GamingenthusiastInnen: Mitten im Rüninger Gewerbegebiet hat sich der Verein niedergelassen.Dazu wurde in einer alten Tennishalleein kleiner fensterloser Raum eingerichtet. Bis zu fünf GamerInnen können hier gleichzeitig spielen. In einer gemütlichen Ecke sind verschiedene Sitzmöglichkeiten und ein großer Fernseher aufgebaut. Hier können Turniere gemeinsam verfolgt werden. Snacks und Getränke werden zum Selbstkostenpreis angeboten.

Eine Löwin im Interview

Daniela Hardt ist stellvertretende Vorsitzende des Vereins und Kapitänin des zweiten „League of Legends“-Teams. Sie hat sich die Zeit genommen, einige vertiefende Einblicke rund um das Thema E-Sport und den Verein zu geben.

Daniela Hardt. Foto: braunschweig-esports.de

Hallo Daniela! Schön, dass du dir die Zeit heute genommen hast. Du bist stellvertretende Vorsitzende bei Braunschweig eSports. Was sind deine Aufgaben im Verein?

Eigentlich bin ich für alles Mögliche zuständig. Ich werbe Leute für den Verein an, kommentiere gelegentlich unsere Spiele, mache Social Media Posts und spiele außerdem für unser zweites League of Legends-Team.

Wie finanziert ihr euch eigentlich?

Zum einen über die Mitgliederbeiträge. Die sind allerdings ziemlich gering – regulär liegen sie bei 6 Euro im Monat, ermäßigt sogar nur bei 3,50€. Hauptsächlich finanzieren wir uns über Sponsoren. Die Sponsoren haben wir glücklicherweise, da einige unserer Mitglieder eigene Firmen haben und uns damit unterstützen können.

Was war eure Intention hinter der Vereinsgründung?

Wir wollten dem Ganzen einen offiziellen Rahmen geben und einen Raum schaffen, an dem sich sowohl GamerInnen, als auch CosplayerInnen, StreamerInnen und alle, die Interessiert sind entfalten können. Heutzutage sitzen viele nur noch daheim vor ihren Rechnern und kennen dieses gemeinschaftliche „LAN-Gefühl“ gar nicht mehr und genau das wollen wir erzeugen. Dafür müssen wir allerdings unbedingt umziehen. Wie du siehst, sind wir hier nicht gerade zentral gelegen. Das schreckt viele ab oder stellt eine zusätzliche Hürde dar. Daher wollen wir in Zukunft möglichst zentral in der Innenstadt liegen und somit bessere Voraussetzungen schaffen, unsere Ziele zu erreichen.

Also darf jeder/jede bei euch eintreten?

Auf jeden Fall! Viele kennen E-Sport nur durch das, was sie im Internet sehen. Große Bühnen, riesige Organisationen, die dahinterstehen, die besten Spieler der Welt im Wettkampf. Sie verbinden E-Sport gar nicht mit traditionellen Vereinsgeschehen. Es gibt ja auch im Fußball eine Kreisliga, oder eine G- oder F-Jugend. Genauso gibt es im eSport auch Amateurligen. Es ist eben ein Hobby und das, was die meisten Leute mit eSport verbinden, nur die Spitze des Eisbergs.

Wie kann man euch beitreten und wie viele Mitglieder habt ihr eigentlich aktuell?

Einfach den Mitgliedschaftsantrag ausfüllen. Das geht entweder über unsere Website digital unter braunschweig-esports.de oder mit einem Papierantrag. Wir sind aktuell 34 Mitglieder und sind mit 15 gestartet. Ergo haben wir uns seit Vereinsgründung verdoppelt. Unser Ziel ist es, am Ende des Jahres die 50 Mitglieder zu erreichen.

Was waren bis jetzt so eure größten Projekte?

Das größte Event, bei dem wir Mitwirken durften, war das erste E-Sport Event von Funke, der „Funke-Gaming-Day“. Dabei durfte unser erstes League of Legends Team gegen zwei in der deutschen Szene sehr bekannte Teams Spielen und das vor einem großen Live-Publikum. Das war für uns ein Riesending und das sind einfach schöne Momente, an die man sich gerne zurückerinnert.

Was sind die nächsten Projekte, die bei euch anstehen?

Wir haben vor kurzer Zeit eine „Stadtmeisterschaft“ im Spiel Starcraft 2 veranstaltet. Nun wollen wir eine zweite Stadtmeisterschaft, entweder im Spiel Age of Empires oder Hearthstone veranstalten. Außerdem wollen wir eine LAN und verschiedene Public Viewing Veranstaltungen durchführen und es steht ein weiteres großes League of Legends Event vor der Tür.

Euch gibt es erst seit Oktober 2022. Warum ist Braunschweig so spät dran im E-Sport?

Der elektronische Sport ist in der Regel in großen Händen von sehr kapitalstarken Organisationen, die in großen Städten angesiedelt sind und eher weniger in den Händen von kleinen Leuten. Es ist nicht so, dass wir hier in Braunschweig keine GamerInnen haben, die sich für E-Sport interessieren – ganz im Gegenteil: schaut man Beispielsweise in der Prime League  – das ist die deutschsprachige League of Legends Liga, sieht man häufig ganz kleine Teams, die „Braunschweig“ im Namen tragen. Die meisten verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind.

Was sind die größten Probleme/Hürden, eines E-Sport Vereins?

Bürokratie und Vereinsrecht. Da gibt es einfach so viel zu beachten und es ist sehr schwer da durchzusteigen, wenn man sich damit bisher noch nie befasst hat. Außerdem gibt es für E-Sport Vereine keine Förderungen, was die Finanzierung erschwert. Die Politik ist dafür einfach noch nicht weit genug. Das Thema E-Sport wird aber immer weniger zum Tabu-Thema, daher bin ich zuversichtlich, dass sich das möglicherweise in ein paar Jahren verändert. Außerdem hat der E-Sport mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Zum Beispiel gibt es immer wieder dieses Argument „Mein Kind zockt zu viel. Wenn es im Verein spielt, dann macht es ja nichts anderes mehr“. Das entspricht aber gar nicht der Realität. Die meisten von uns studieren oder arbeiten Vollzeit. Hier hat niemand die Zeit, um „den ganzen Tag zu zocken“. Vielmehr kommt man in diesem Vereinsrahmen auch mal unter Leute und genießt ganz andere Facetten, als nur vor dem PC zu sitzen. Außerdem kann man in diesem Rahmen lernen, Verantwortung zu übernehmen und Pflichten zu erfüllen. Zum Beispiel, weil man zwei Mal die Woche Training hat.

E-Sport kämpft noch immer um Anerkennung als Sport

Wie aus dem Gespräch mit Daniela hervor geht, hatte der elektronische Sport schon immer mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Diese reichen von Vorwürfen, dass E-Sportler kein richtiger Beruf sei, bis zur Killerspiel-Debatte, die vor allem Shooter-Spielen vorwirft, Konsumierende zu gewaltbereiten Amoklaufenden zu machen. Außerdem kämpft E-Sport in vielen Ländern noch immer um die Anerkennung als Sport. So auch in Deutschland.

Um vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) als Sport anerkannt zu werden, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Die Aktivität muss eine eigene, sportartspezifische motorische Betätigung beinhalten. Außerdem muss sie durch Regeln oder Wettkampfsysteme ethische Werte wie Fairplay, Chancengleichheit und Partnerschaft sicherstellen. Hier scheiden sich die Geister. Der DOSB behauptet in einem Gutachten, E-Sport erfülle diese Kriterien nicht, da er nicht gemeinwohlorientiert sei. Die Kontrolle über Regeln, Inhalte und Spielformen liege nämlich bei gewinnorientierten, global agierenden Unternehmen. Andere ExpertInnen, wie etwa Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation, sind der Meinung, E-Sport müsse in Deutschland als Sport anerkannt werden. Ohne diese Anerkennung bleiben E-SportlerInnen viele mögliche Vorteile, wie Zugang zur öffentlichen Sportförderung, Steuervergünstigungen als gemeinnütziger Verein oder Erleichterung der Einreise für internationale Wettkämpfe, verwehrt.  Über 60 Länder, darunter zum Beispiel Südkorea, die USA, China, Großbritannien oder Frankreich erkennen E-Sport bereit als „richtigen“ Sport an. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis das in Deutschland auch geschieht.

E-Sport hat verschiedene Gesichter. Auf der einen Seite füllt er riesige Arenen, begeistert Millionen Menschen und stellt ein milliardenschweres Geschäft dar. Andererseits formen sich kleine Vereine aus Hobby-GamerInnen, die den elektronischen Sport gemeinschaftlich zelebrieren. Doch eines haben sie gemeinsam: Der E-Sport hat noch immer mit vielen Vorurteilen zu kämpfen und sucht vor allem in Deutschland vergebens nach der Anerkennung als Sportart.


Titelbild: Person beim Gaming. Florian Olivo via Unsplash

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