Fußball. Der Sport in Deutschland. Bundesliga, DFB-Pokal und Super-Cup – die Liste der verschiedenen Ligen und Turniere ist lang. Bei einem Spiel in der ersten Bundesliga können gerne mal 80.000 Fans im Stadion sitzen, ganz zu schweigen von ZuschauerInnen vor dem Fernseher. Als ProfispielerInnen in solch einer Kulisse zu spielen, ist der Traum von Millionen von Kindern und Jugendlichen. Doch der Weg dahin ist steinig und mit harter Arbeit verbunden.
Im Schatten der Stadionlichter und weit entfernt von den tobenden Applaus-Wellen, vollzieht sich ein stiller, aber entscheidender Wandel. Hier werden die Profis von morgen geformt: die Nachwuchsleistungszentren der Vereine. Traditionell bekannt für eine starre Talententwicklung, durchlaufen die NLZ’s in Deutschland aktuell einen Wandel. Die Forderungen nach einer ausgewogenen Ausbildung, die nicht nur die technischen Fähigkeiten, sondern auch die mentale Stärke und individuelle Persönlichkeitsentwicklung fördert, werden immer lauter. Von einem seit Jahren festgefahrenemAusbildungssystem zu einer flexiblen und ganzheitlichen Herangehensweise – das ist das Ziel des Nachwuchsfußballs. Dabei versprechen sich die Nachwuchsleistungszentren nicht nur fußballerische Innovation, sondern auch eine bessere Vorbereitung der jungen Talente auf die vielschichtigen Herausforderungen im modernen Profifußball.
Das Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht Braunschweig gewährt einen Blick hinter die Kulissen einer solchenAusbildungsstätte.
Der Einstieg in den Nachwuchsfußball
Der eigentliche Weg der SpielerInnen und die damit verbundene Arbeit beginnt mit dem Einstieg in eine Mannschaft eines Nachwuchsleistungszentrums. Ziel eines Nachwuchsleistungszentrums ist es, ProfispielerInnen auszubilden und auf den späteren Fußballmarkt, welcher von Konkurrenzkampf und Leistungsdruck gezeichnet ist, vorzubereiten. Gerade einmal drei Prozent aller Nachwuchstalente schaffen den Sprung in die Profiliga – eine Zahl, die zum Nachdenken anregt. NachwuchsspielerInnen sind Tag für Tag mit dieser Kennzahl konfrontiert und stehen zusätzlich noch jederzeit unter der Beobachtung wachsamer Augen. Häufige Kritik, zu wenig Anerkennung, Belastung, Kontrolle, Verletzungen und Enttäuschungen – all die Faktoren haben Einfluss auf die jungen SpielerInnen. Stehen sie zu stark in der Kritik oder erleben zu viele Enttäuschungen in ihrer Laufbahn, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, einen Leistungsdruck zu verspüren, um ein Vielfaches. Dabei ist Leistungsdruck keinesfalls immer nur negativ behaftet. Leistungsdruck kann sich nämlich sowohl positiv als auch negativ auf junge Nachwuchstalente auswirken. Es kann einerseits dazu beitragen, die beste Leistung eines jeden Spielers herauszuholen, andererseits aber auch zu einer Belastung der mentalen Gesundheit führen. Nicht selten überwiegt der negative Aspekt und genau das sorgte in der Vergangenheit immer wieder für Aufsehen.
Seit einigen Jahren sind Nachwuchsleistungszentren in Deutschland stärker in den Fokus gerückt und auch der DFB schaltete sich bereits ein. Immer mehr junge SpielerInnen litten unter dem enormen Leistungsdruck und zerbrachen teils sogar daran. Um ihnen die dringend benötigte Unterstützung zukommen zu lassen, entschied sich der DFB im Jahr 2018, eine Neuerung einzuführen. Seither sind zertifizierte NLZs dazu verpflichtet, mit PsychologInnen zusammenzuarbeiten. Sie mussten den SpielerInnen fortan die Möglichkeit einer psychologischen Betreuung anbieten, ob dies angenommen wird, ist am Ende allen selbst überlassen. Diese Reform änderte die Grundsituation in Sachen psychologischeGesundheit grundlegend. Die Nachwuchstalente sollten ab dem Zeitpunkt nicht mehr nur als LeistungssportlerInnen, sondern vielmehr als Individuen wahrgenommen und gefördert werden. Somit nimmt auch die persönliche Weiterentwicklung eine wichtige Rolle ein. Dabei ist besonders wichtig, dass eine Balance zwischen dem herrschenden Leistungsgedanken und der Freude am Sport gefunden wird. Auch das Nachwuchsleistungszentrum Eintracht Braunschweig nimmt den Leistungsdruck der SpielerInnen sehr ernst und setzt sich intensiv mit dem Thema auseinander. Doch welche Maßnahmen ergreifen sie und wie setzen sie diese um?
Teamzusammenhalt als oberste Priorität
„Als ein Team zusammenarbeiten – auch, wenn der Traum vom Profisein vielleicht zerplatzen könnte. Das ist die Mentalität hier im Nachwuchsleistungszentrum Braunschweig“, so Finn Rohland, Sportpsychologe des NLZs der Eintracht Braunschweig. Den SpielerInnen sollen auchweitere Wege aufgezeigt werden, die neben einer Karriere als Fußballprofi noch existieren. Es geht dabei meist um dieLeidenschaft zum Fußball und dass diese, auch wenn der Traum zerplatzt ist, weiter Bestandteil der eigenenberuflichen Karriere sein kann. Denn man kann seine Berufung auch abseits des Platzes entdecken. Das Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht Braunschweig legt Wert darauf, ihre SpielerInnen auf jeden möglichen Wegvorzubereiten, auch wenn dieser später nicht auf dem Feld endet. Neben der Fußballausbildung werden auch auf die schulischen Leistungen geachtet und in Gesprächen mit dem Psychologen alternative Wege und Interessen des SpielerInnen aufbereitet. Eine Besonderheit ist, dass fast jeder Mitarbeiter des NLZs, welche auch häufig in direktem Kontakt zu den SpielerInnen stehen, eine ganz persönliche Geschichte mit dem Sport verbindet. Das fördert wiederum das Verständnis undkann den jungen SpielerInnen helfen, gesund mit den persönlichen Problemen umzugehen. So werden ihnenbeispielsweise Bewältigungsmechanismen an die Hand geben, um mit Herausforderungen besserzurechtzukommen.
Gewinnen oder verlieren
Entscheidend für Triumph oder Niederlage sind, neben Talent, auch das richtige Mindset und das Umfeld. Es braucht Personen, die den SpielerInnen nahestehen und denen sie vertrauen, auch in schwierigen Situationen. Idealerweise sind das die SportpsychologInnen, die bereits Vertrauen genießen und wertvolle Tipps mitgeben können. Denn Probleme,egal, ob körperlich oder psychisch, können nur dann behandelt werden, wenn die Spieler darüber sprechen. Das bedeutet; neben den Bewältigungsstrategien ist auch eine Vertrauensbasis zu den SpielerInnen von enormer Bedeutung. Leistungsdruck ist nicht nur in den Nachwuchsleistungszentren ein Thema. Auch SpielerInnen von Vereinen außerhalb der „NLZ-Welten“ haben damit zu kämpfen.
In einer Welt, in der Fußballsport immer anspruchsvoller und dynamischer wird, ist der Wandel der Nachwuchsleistungszentren nicht mehr nur ein notwendiger Schritt, sondern vielmehr ein Versprechen in die Zukunft des Sports. Zeiten, in denen allein die fußballerischen Fertigkeiten den Schlüssel zum Erfolg darstellen, sind vorbei. Sie widersprechen dem Ansatz, Nachwuchstalente nicht nur auf dem Platz zu fördern, sondern auch als Individuen,grundlegend. Dabei stellt der herrschende Wandel der Nachwuchsleistungszentren einen vielversprechenden Schritt in Richtung einer umfassenden Entwicklung dar, welche auch über den Spielfeldrand hinaus geht. Damit ist die Grundlage für eine positive Veränderung im Fußball gelegt.
Der Wandel der Nachwuchsleistungszentren ist ein Thema, welches weitreichender ist, als zu Beginn erwartet. Denn klar ist: Nachwuchstalente sind Leistungsdruck ausgesetzt. Manche mehr, manche weniger. Entscheidend für den persönlichen Sieg oder die persönliche Niederlage, ist die Unterstützung, welche den Spielenden zukommt und wie sie Hilfsangeboteannehmen. Nachwuchsleistungszentren sind mittlerweile weit mehr, als eine reine Ausbildungsstätte. Hier werden nicht mehr nur die Fähigkeiten der SpielerInnen gefördert, sondern auch Wert auf eine individuelle Entfaltung gelegt. TrainerInnen, PädagogInnen und PsychologInnen stehen jederzeit zur Verfügung und sorgen für ein harmonisches Miteinander. Teamgeist spielt dabei eine zentrale Rolle, sowohl innerhalb der Mannschaft, als auch außerhalb. Auch das Nachwuchsleistungszentrum der Eintracht Braunschweig legt großen Wert auf den Teamzusammenhalt. Die Mannschaft müsse auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten. Das Team und der Zusammenhalt stehen im Vordergrund. Auch in Zukunft wird sich der Nachwuchsfußball weiter in eine positive Richtung entwickeln und noch stärker auf die Bedürfnisseder jungen Talente eingehen.