Weltkarte, Foto von Marlene Krause 

Nordkorea: Ein Leben in Isolation

Nordkorea ist geprägt von totaler Kontrolle und fehlender Freiheit. Eine Flucht bedeutet Lebensgefahr und bringt neue Herausforderungen mit sich. Der Weg in ein freies Leben ist lang, gefährlich und oft einsam.

,,Nachdem ich beim Stehlen erwischt worden war, wurde ich so heftig geschlagen, dass ich blutete.“  Berichtet der nun in Seoul lebende 25-jährige Hyuk in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Im Kindesalter entfloh er den Missständen der Diktatur. Nordkorea ist geprägt von totaler Kontrolle und fehlender Freiheit. Eine Flucht bedeutet Lebensgefahr und bringt neue Herausforderungen mit sich. Der Weg in ein freies Leben ist lang, gefährlich und oft einsam.

Wer einer Diktatur entflieht hat das Paradies noch lange nicht erreicht. Nach einer gefährlichen und riskanten Flucht warten neue Probleme und Herausforderungen, die einen an der Flucht zweifeln lassen könnten.

Nordkorea ist eines der isoliertesten und am meisten überwachten Länder der Welt, das nur die Informationen freigibt, welche die Kim-Dynastie uns glauben lassen möchte. Die Bevölkerung lebt unter sehr strenger staatlicher Kontrolle, geprägt von Zensur, Überwachung und Menschenrechtsverletzungen. Trotz hoher Risiken entscheiden sich jedes Jahr einige Nordkoreanerinnen und Nordkoreaner zur Flucht. In der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit riskieren sie alles. Der Weg in die Freiheit ist gefährlich und selbst nach der Ankunft in einem sicheren Drittland warten neue Herausforderungen. Mit einer gelungenen Flucht ist das Ende der Konflikte und Probleme noch nicht erreicht.

Was wissen wir über die Diktatur?

Wie das Leben der Menschen in Nordkorea tatsächlich aussieht, ist eines der größten Geheimnisse unserer Zeit. Wir haben extrem geringe Wissensbestände über die von der Kim-Dynastie regierte Diktatur. Von dem Land selbst werden grundsätzlich keine Informationen preisgegeben, es sei denn, es handelt sich um Propaganda. Eine Reise in das Land ist zwar möglich, jedoch nur unter gewissen Umständen und mit einem triftigen Grund- beispielsweise eine Sportolympiade oder einen Marathonlauf mit internationalen Teilnehmer:innen. Dem deutsche Travel-Influencer Josua Wirth, besser bekannt unter seinem Social Media Account ,,Travell4llove”, ist Anfang des Jahres unter dem Vorwand, ein Marathonläufer zu sein, eine Einreise nach Nordkorea gelungen. Auf seinen Social Media Kanälen berichtet er von seinen Eindrücken und Erfahrungen und ermöglicht der Außenwelt einige Einblicke in das isolierte Land. Es wird sehr schnell deutlich, dass man als Tourist:innen. Selbst vor Ort keine authentischen Einblicke Nordkoreas bekommt. Dem Influencer werden sogenannte ,,Guides” zur Seite gestellt, die einem auf Schritt und Tritt folgen, extra für Tourist:innen. Ausgewählte Bereiche mit einem besichtigen, einen durch Vorzeigeviertel führen oder einem bestimmte Bereiche zuweisen, in denen man sich frei bewegen darf. Sie erklären auch, Einheimische würden keine Geschenke oder Ähnliches annehmen, da sie es nicht gewohnt seien, mit Ausländer:innen zu sprechen. Als Tourist:in in  Nordkorea wird dir nur das gezeigt, was die Regierung möchte, das du siehst.

Die Flucht ins Ungewisse: Zwischen Hoffnung und Hürden

Es gibt mehrere Wege, aus Nordkoreas Unterdrückung zu flüchten. Alle von ihnen sind extrem riskant und die Erfolgsrate ist niedrig. Glücklicherweise schaffen es dennoch immer wieder einige mutige Nordkoreanerinnen und Nordkoreanern der Diktatur zu entkommen. Die angrenzenden Länder Nordkoreas sind Südkorea, Russland und China. Südkorea ist meistens das Hauptziel der Flüchtenden, da aufgesammelte Überläufer Nordkoreas laut Südkoreas Verfassung automatisch als südkoreanische Staatsbürger gelten. Leider stellt die direkte Fluchtroute ins Nachbarland die wohl gefährlichste und erfolgloseste Route dar. Denn die Grenze Nordkoreas zu Südkorea ist eine der am strengsten bewachten Grenzen weltweit und rüstet sich mit der sogenannten DMZ, der demilitarisierten Zone, die alles andere ist, als der Name vorgibt. Sie ist rund um die Uhr von bewaffneten Soldaten bewacht, welche bei einem Fluchtversuch direkten Schießbefehl haben. Die Chancen, die Flucht über die südkoreanische Grenze zu überleben, sind extrem gering. Trotz der niedrigen Chancen hat es 2017 ein Nordkoreaner geschafft, auf diesem Weg nach Südkorea zu flüchten. Oh-Chong-Song wird dabei mehrfach von den Kugeln der nordkoreanischen Soldaten getroffen, kann sich jedoch noch in Sicherheit bringen und wird nach einigen Stunden von südkoreanischen Soldaten aufgelesen. Einige versuchen es, über den Ozean zu flüchten : an der Südost-Küste über das japanische Meer nach Südkorea. Eine weitere sehr gefährliche Fluchtroute, die bis jetzt nur eine Handvoll Flüchtende überlebt haben. Unter ihnen ein 20-jähriger Fischer. Er schwamm im Februar 2021 sechs Stunden mit einem Taucheranzug und Schwimmflossen ins Nachbarland und rettete sich in der DMZ südkoreanischer Seite. In ähnlicher Weise verhält es sich mit den Fluchtversuchen nach Russland. Die Grenzen sind ebenfalls stark überwacht. Nur sehr wenige wählen diesen Weg. Der erfolgreichste und am häufigsten gewagte Fluchtweg führt über die Grenzen Chinas. Die Flüsse Yalu und Tumen laufen an der Grenze zu China entlang und sind an gewissen Stellen nicht besonders tief oder breit. Vor allem im Winter kann man sie schnell überqueren, wenn sie gefroren sind. Auch an den Flüssen werden Wachen aufgestellt, jedoch weniger, als an den bereits genannten Grenzen. Doch die eigentliche Flucht ist mit dem Ankommen in China leider noch nicht vorbei. Die meisten flüchten nach China, um danach nach Thailand, Vietnam oder in die Mongolei zu fliehen, um über diese Länder an südkoreanisches Asyl zu gelangen. Denn diese Länder bieten nordkoreanischen Flüchtlingen Hilfe und Zuflucht. Wer sich als Überläufer:innen in China erwischen lässt, muss mit einer Zwangsabschiebung zurück nach Nordkorea rechnen, da China diese nicht als Flüchtlinge mit begründeter Furcht sieht, sondern als illegal Migrant:innen betrachtet. Einmal zurück in Nordkorea drohen den von der Kim-Dynastie als ,,Verräter” bezeichneten Flüchtlingen menschenrechtsverletzende Maßnahmen wie Zwangsarbeit, Folter oder die Todesstrafe. Oft wird nicht nur die geflüchtete Person, sondern auch die restlichen Familienmitglieder bestraft. Neben der Zwangsabschiebung drohen den Überläufer:innen och andere Gefahren. Oft werden entdeckte Flüchtlinge in China ausgebeutet. 60 % der aus Nordkorea nach China geflüchteten Frauen werden Opfer von Menschenhandel. Etwa die Hälfte wird zur Prostitution gezwungen oder zwangsverheiratet. Wer allerdings diesen Hindernissen ausweichen konnte, steht bereits vor dem nächsten Problem. Um von China unbemerkt in die Mongolei zu gelangen, muss man die Gobi Wüste durchqueren, welche eine Fläche von 2.35 Millionen km² aufweist. Die Wüste erstreckt sich zu ungefähr gleichen Teilen durch China und der Mongolei. Damit müsste man etwa eine Fläche der Größe Perus durchqueren. Es dauert zu Fuß mehrere Tage und ist durch die extrem heißen Tage und kalten Nächte ein sehr riskanter Weg. Dennoch nehmen jedes Jahr viele Nordkoreaner:innen dieses Risiko auf sich, um einen Neuanfang und ein freieres Leben genießen zu können.

Neuanfang : leichter gesagt als getan

Nordkoreanische Immigrant:innen haben teilweise ihr Leben lang mit starken Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen. Ein individuell gestaltbarer Alltag stellt eine große Herausforderung dar und das Anpassen an die Gesellschaft einer neuen Kultur kann extrem überfordernd sein. Oft leben geflüchtete Nordkoreaner:innen auch nach der Flucht aufgrund der Anpassungsschwierigkeiten oder durch Traumata von der Flucht noch in Isolation. Zudem ist das Leben von geflüchteten Nordkoreaner:innen vereinzelt von Rassismus und Ausgrenzung geprägt, was eine zusätzliche mentale Belastung darstellt. Leider entspricht die Realität nicht der Idealvorstellung oder dem Gesetz. Laut Verfassung sind alle geflüchteten Nordkoreaner und Nordkoreanerinnen südkoreanische Staatsbürger:innen, doch einige Geflüchtete empfinden, sie würden von der südkoreanischen Gesellschaft oft als dumm oder unfähig angesehen. Das kann an den sprachlichen Unterscheiden liegen. Die südkoreanische Sprache hat sich gegenüber der nordkoreanischen beispielsweise durch Anglizismen weiterentwickelt. Viele Nordkoreaner:innen die nach Südkorea geflüchtet sind, empfinden einen gewissen Scharm. Laut einer Umfrage des Wiedervereinigungsministeriums verraten knapp 81% der Nordkoreaner:innen Südkorea nicht ihren wahren Herkunftsort. Zudem verspüren sie eine gewisse Wut seitens der Südkoreaner:innen aufgrund der Unterstützungsleistungen, die sie von der Regierung als geflüchtete Personen bekommen. Vor allem Südkoreaner:innen aus ärmeren Verhältnissen seien oftmals verärgert. Beispielsweise ist das Studium in Südkorea für nordkoreanische Flüchtlinge kostenfrei, während die Semestergebühren für Südkoreaner:innen im Schnitt bei knapp 5.000 € liegen. Dies und ähnliche Situationen und Schwierigkeiten werden geflüchteten Nordkoreaner:innen im Versuch eines Neuanfangs und der Anpassung an ein neues Leben oft zum Verhängnis. Obwohl sie der Unterdrückung entkommen sind, stoßen viele Geflüchtete in Drittstaaten auf neue Hürden. Sowohl das Leben im Heimatland Nordkorea, als auch der Neuanfang in einer völlig neuen Staatsform und Gesellschaft sind für uns nur schwer vorstellbare Lebenssituationen. Auch wenn die Diktatur Nordkorea eher weniger Einfluss auf unser europäisches Leben nimmt, machen die Geschichten der geflüchteten Nordkoreaner:innen deutlich, wie wichtig internationale Unterstützung und Schutz sind. Der Anteil der nordkoreanischen Immigrant:innen in Europa ist verhältnismäßig klein, dennoch können wir durch verständnisvolles Verhalten unseren Teil zur Erleichterung der Lebensumstände geflüchteter Personen aus Nordkorea, sowie auch aus anderen Ländern der Welt beitragen.

Titelbild: Weltkarte mit Fluchtwegen, Foto von Marlene Krause 

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