Grüne Mamba, Veronika Fecht

Schuppennah: Die Welt der Schlangen

Schlangen faszinieren mit ihrer Vielfalt und geheimnisvollen Lebensweise. Doch wie ist es, mit ihnen zu leben und zu arbeiten? Europas größte private Schlangenfarm in Schladen öffnet die Türen zu einer Welt voller seltener und beeindruckender Reptilien.

Triggerwarnung: Dieser Beitrag enthält Inhalte zu Reptilien und anderen exotischen Tieren.

Die Welt der Schlangen und anderer Reptilien steckt voller Geheimnisse. Auf der Schlangenfarm in Schladen können BesucherInnen diese außergewöhnlichen Tiere hautnah erleben. Oliver Keudel, der Besitzer der Schlangenfarm, gibt spannende Einblicke in seinen Alltag mit den Tieren und zeigt, was eine artgerechte Haltung wirklich bedeutet – eine Aufgabe, die Wissen, Geduld und Hingabe erfordert. 

Artgerechte Haltung und das Wohlbefinden von Reptilien                        

Ein Tag auf der Schlangenfarm ist geprägt von einer sorgfältigen Abstimmung auf die Bedürfnisse der Tiere – sei es bei der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit oder dem Verhalten jedes einzelnen Reptils. Die artgerechte Haltung basiert auf präzisem Beobachten und tiefem Verstehen. Doch was bedeutet „Wohlfühlen” für Reptilien eigentlich? 

Ein gesundes Reptil zeigt deutliche Signale: Es ist aktiv, erkundet seine Umgebung und zeigt Interesse an seiner Nahrung. Temperatur und Luftfeuchtigkeit spielen dabei eine entscheidende Rolle. Faszinierend ist, wie Reptilien sich an ihre Umgebung anpassen. In der Natur suchen sie sich dafür gezielt das Sonnenlicht, um ihre Körpertemperatur regulieren zu können. Auf der Schlangenfarm wird dieses Verhalten durch Wärmelampen und verschiedene Verstecke nachgebildet, damit die Tiere sich besonders wohlfühlen können. 

Doch die Farm ist weit mehr als ein Ort, an dem Tiere gehalten werden – sie ist ein Zuhause voller Vielfalt. Diese Vielfalt lässt sich sehen: von Schlangen und Spinnen über Bartagame bis hin zu Krokodilen – jede Art hat ihre eigenen Merkmale und besonderen Bedürfnisse.

Osti – eine besondere Kettennatter

Ein besonderes Highlight der Schlangenfarm ist die zunächst namenlose Kalifornische Kettennatter, die schließlich – in Anlehnung an die Hochschule Ostfalia – den Namen ‚Osti‘ erhielt. Sie ist eine ruhige und freundliche Schlange, die als Vorführtier genutzt wird und somit schnell die Herzen vieler Gäste erobert. Mit ihrem markanten schwarz-weißen Muster und ihrem sanften Wesen hilft sie, Berührungsängste der Gäste gegenüber Schlangen abzubauen. Kalifornische Kettennattern sind faszinierende Tiere, doch ihre Präsenz in Europa birgt eine Herausforderung. Als invasive Art können sie bei unkontrollierter Freisetzung in die Natur einheimische Tierarten verdrängen und das Ökosystem gefährden. Aus diesem Grund unterliegen die Nattern in Europa strengen Regelungen: Ihre Zucht und der Handel sind verboten, um eine unkontrollierte Verbreitung zu verhindern.

Reptilienhaltung: Regeln & Pflichten

Auf der Schlangenfarm werden Haltung und Artenschutz intensiv thematisiert, um das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu stärken. Diese Einblicke tragen dazu bei, dass das Verständnis für diese oft missverstandenen Lebewesen wächst.

Doch was bedeutet es eigentlich, Schlangen und Reptilien in Deutschland zu halten? Welche gesetzlichen Regelungen gibt es? 

  • Gesetzliche Vorschriften: Je nach Bundesland gelten unterschiedliche Regeln. Für giftige oder exotische Schlangenarten ist meist eine spezielle Genehmigung erforderlich. 
  • Tierschutz: Artgerechte Haltung ist verpflichtend. Dazu gehören angemessene Terrarien, Temperaturkontrolle und regelmäßige Pflege. 
  • Meldepflicht: Exotische Tiere müssen in vielen Regionen registriert werden. Damit wird sichergestellt, dass sie korrekt gehalten werden und keine Gefährdung darstellen.

So bietet die Schlangenfarm nicht nur ein artgerechtes Zuhause für Reptilien, sondern auch ein Ort der Wissensvermittlung. In Vorführungen erfahren BesucherInnen Spannendes über diese faszinierenden Tiere und können sogar ungiftige Schlangen aus nächster Nähe erleben. Die Begegnung mit den Reptilien kann zwar viele Menschen faszinieren, in manchen von ihnen aber auch starke Ängste wecken. Oft beruht die Angst vor Schlangen auf Missverständnissen und falschen Annahmen, denn Schlangen greifen nur aus Notwehr an und sind in der Regel sehr ruhige Tiere. In der Schlangenfarm können diese Menschen unter Anleitung von Experten und Expertinnen Schritt für Schritt ein gewisses Vertrauen zu diesen Tieren aufbauen.

Schlangengift – Mythos und Medizin

Schlangengift fasziniert WissenschaftlerInnen seit Jahrzehnten. Während es in der Natur vor allem zur Jagd und Verteidigung dient, birgt es gleichzeitig enormes medizinisches Potenzial. Auf der Schlangenfarm leben überwiegend giftige Schlangenarten, die früher als Vorzeigetiere zum sogenannten „Giftmelken“ genutzt wurden. Heutzutage wird diese Praxis jedoch nicht mehr ausgeübt. 

Good to know
Der Biss einer Schlange ist oft trocken – ohne Giftabgabe. Ein Mythos, den die Farm gerne entkräftet. Ihr Gift wird in den Drüsen des Oberkiefers als Sekret gebildet. Es handelt sich dabei um ein komplexes Gemisch aus Proteinen beziehungsweise Polypeptiden, die je nach Schlangenart in ihrer Wirkung variieren. 

ForscherInnen haben jedoch entdeckt, dass Schlangengift nicht nur gefährlich ist, sondern auch nützlich sein kann. Die Forschung wird von WissenschaftlerInnen in Gießen durchgeführt, genauer gesagt am Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME und am LOEWE-Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik in Hessen. 

Bereits heute werden bestimmte Bestandteile des Schlangengifts in verschiedenen medizinischen Bereichen eingesetzt, darunter:

  • Zur Behandlung von Bluthochdruck
  • Bei Störungen des Blutgerinnungssystems
  • Zur Herstellung von Gegengiften
  • In der Homöopathie gegen Schmerzen

Die aktuelle Forschung konzentriert sich nun darauf, wie Schlangengift gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden könnte. Dies könnte in Zukunft zu neuen Antibiotika führen, die auf Schlangengift basieren.

Jürgen Hergert – Ein Leben mit Schlangen

Jürgen Hergert, Gründer der Schlangenfarm in Schladen, widmet sein Leben den Reptilien. Seit 1983 hält er den Weltrekord im „Schlangen-Sit-In“ – einem Experiment, das weltweit Aufsehen erregte – und das er heute nicht noch einmal wagen würde. In einem persönlichen Gespräch erzählt er, wie seine Faszination für Schlangen schon in seiner Kindheit begann, berichtet von seiner Arbeit in Afrika und den besonderen Erlebnissen im Umgang mit diesen faszinierenden Tieren. 

Titelbild : Foto, Veronika Fecht

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