Therapie auf Instagram?

Neben Fitness-Accounts und Foodblogs sind auch immer mehr TherapeutInnen auf Social Media Plattformen wie Instagram. Sie teilen ihr Wissen über psychische Störungen und Therapieansätze. Aber kann dieser Zugang zu exklusiver Information nicht auch als Therapie-Ersatz ausgenutzt werden?

Immer mehr PsychologInnen fassen Fuß in der Instagram-Welt. Mit dabei ist Psychologiestudentin Dinah Berger mit ihrem Instagram-Account @Erklärungsnot, auf dem sie Inhalte rund um die menschliche Psyche teilt. Die Inspiration für ihren Instagram-Account fand sie durch ihre eigenen Erfahrungen mit Depression und den damit verbunden Stigmatisierungserlebnissen. Als Betroffene fiel ihr auf, wie wenig Wissen über psychische Erkrankungen in der Gesellschaft vorhanden ist. Mit ihrer Mission #endthestigma will Dinah anderen Menschen diese Erklärungsnot nehmen.
Accounts wie ihrer bieten für (angehende) PsychologInnen bestimmte Vor- und Nachteile. Zwar ist ein Instagram-Account zeitintensiv, jedoch auch eine kostengünstige Möglichkeit, mehr Sichtbarkeit im Netz zu erlangen und neue KlientInnen zu gewinnen. PsychologInnen können ihre Social Media-Präsenz auch dafür nutzen, psychische Erkrankungen zu enttabuisieren und zur Öffentlichkeitarbeit beizutragen, indem komplexe Themen in konsumierbaren „Content-Stücken“ vermittelt werden.

Löst Therapie auf Instagram klassische Therapien ab?

In Deutschland erfüllt immerhin jeder vierte Erwachsene die Kriterien einer psychischen Störung und für Betroffene kann die Scham über ihre Probleme so groß sein, dass ein klassisches Therapieangebot vermieden wird. Der anonyme Zugang über Social Media kann hierbei eine angenehmere Lösung sein. 
Die Frage, ob Therapie auf Instagram die klassische Form der Therapie ablöst, beantwortet Dinah Berger mit einem klaren Nein. Instagram ist keine Psychotherapie. Social Media kann ein wertvolles Medium sein und bietet Möglichkeiten für Information, Vernetzung zwischen Betroffenen und somit auch Austausch von Erfahrungen. Die Angst vor einer Behandlung kann durch Gleichgesinnte genommen und der Schritt zur Hilfe erleichtert werden. Für Betroffene hat es also durchaus Vorteile, online aktiv zu werden. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass Instagram keine dauerhafte Lösung sein kann. Bisher gibt es noch keine offizielle Kontrolle darüber, welche Qualität Beiträge oder Profile aufweisen müssen. Nicht alle Inhalte kommen aus seriösen Quellen, denn jede/r hat die Möglichkeit Beiträge zu psychologischen Themen zu posten. Auch die Beziehung zwischen TherapeutInnen und PatientInnen, einer der wichtigsten Wirkfaktoren einer Psychotherapie, fällt in der Instagram-Variante weg.

Smartphone-Apps mit Therapie-Charakter

Neben Instagram-PsychologInnen setzen sich auch Therapie-Apps mehr und mehr durch. Es gibt einige seriöse Therapie-Apps wie Selfapy oder Invirto, deren Kosten auch von Krankenkassen übernommen werden. Diese können im Gegensatz zu der Instagram-Variante ein geeignetes Mittel zur Überbrückung von Wartezeiten auf einen Therapieplatz sein.
Schlussendlich bieten Psychologie-Accounts eine Fläche zur Information und Vernetzung zwischen Betroffenen. Der Weg zum Psychologen oder zur Psychologin – ob über digitale Apps oder das persönliche Gespräch – ist also unvermeidbar.

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