In Deutschland gibt es noch keine genaue Definition von Tiny Häusern. Man findet den Begriff weder im Duden noch im Baurecht. Allerdings kann man unterscheiden, ob das Haus auf Rädern steht oder nicht. Die Tiny Houses on Wheels haben meist bestimmte Maße, damit sie eine Straßenzulassung bekommen. Üblicherweise haben die Fahrzeuge eine Länge von 7 bis 9 Metern, eine Breite von 2,55 Metern, eine Höhe von 4 Metern und sind maximal 3,5 Tonnen schwer.
Preislich liegen die Häuser bei etwa 50.000 Euro, je nach Ausstattung.
In Tiny Häusern findet man alles, was man braucht, auf kleinster Fläche. Das Bett hängt über dem Wohnbereich, der bereits direkt wieder an Küche und Arbeitsbereich angrenzt. Auch ein kleines Badezimmer mit Toilette und Dusche befindet sich in den meisten Kleinhäusern. Florian Schick ist Architekt und entwirft genau diese Art von Häusern. Schon als Kind träumte er davon Kastenenten in Wohnräume umzubauen. Heute hat er sich mit seiner Werkstatt seinen Traum erfüllt. Vom Umbauen alter Bauwagen bis zum Bau eines komplett neuen Hauses – in seiner Werkstatt findet man viele verschiedene Arten von Häusern. Alle seine Entwürfe sind abgestimmt auf die Wünsche seiner KundInnen.
Auch wenn der Trend hier relativ jung ist, in anderen Ländern werden schon seit Jahren ganze Viertel mit Tiny Häusern gebaut. In Amerika begann es mit dem „Tiny House Movement“. 1999 hat der Amerikaner Jay Shafer die ersten Tiny Häuser entworfen und damit eine Welle der Begeisterung ausgelöst. Spätestens nach der Immobilienkrise im Jahr 2008, war das Interesse an Tiny Häusern in Amerika sehr hoch.
Es gibt viele Gründe, warum Menschen in einem Tiny House leben wollen. Florian Schick hat hauptsächlich Kunden mit persönlichen Motiven wie Nachhaltigkeit oder Minimalismus. Aber der Trend ist nicht mehr nur eine Entscheidung für einen Lebensstil. Die Mietpreise und der Wohnraummangel in Großstädten haben zu Projekten angeregt, die diese Probleme mit Tiny Häusern lösen wollen.
Wie nachhaltig wohnt man in einem Tiny House?
Für viele, die sich aus persönlichen Gründen ein Tiny House anschaffen wollen, ist Nachhaltigkeit ein großer Punkt. Allerdings sagt Schick, dass nicht jedes Tiny House sofort auch nachhaltig ist: „Also wenn ich da einen Sondermüllberg hinzaubere, dann macht’s einfach gar keinen Sinn“, meint Schick. In seinem Betrieb verwendet man deshalb heimische Lärche und behandelt die Oberflächen mit natürlichen Lasuren. Außerdem versucht Schick, möglichst viele recycelte Materialien zu verwenden.
Zudem ist auch das Leben in einem Kleinhaus nicht direkt nachhaltig. Zwar verbraucht man für den Bau deutlich weniger Ressourcen, jedoch benötigt das Haus mehr Energie. Da die Wände beispielsweise weniger Dämmung enthalten, muss deutlich mehr geheizt werden. Laut Schick rechne es sich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr, dass man die Ressourcen eingespart habe, weil man so viel Energie verbrauche.
Es sei am nachhaltigsten, wenn man zwar seinen Wohnraum reduziere, dann aber mit anderen zusammen eine Wohngemeinschaft bilde. So könne man Ressourcen und auch gleichzeitig Energie sparen.
Minimalismus
Für einige steht noch etwas anderes im Vordergrund: Minimalismus. Minimalismus bedeutet, dass man nur das besitzt, was man wirklich braucht und was einen glücklich macht. Das spart nicht nur Ressourcen und ist damit nachhaltig, sondern soll laut Minimalisten langfristig auch glücklicher machen. Für Florian Schick sei es auch schon immer ein Traum gewesen, den ganzen Hausstand einzudampfen. Er könne sich durchaus vorstellen, später selbst in einem Tiny House zu wohnen, wenn seine Kinder bereits ausgezogen sind. „Je weniger man hat und je weniger man mit sich rumschleppt, umso besser ist es eigentlich. Also umso besser fühle ich mich einfach“, so Schick.
Mit einem Tiny House wird man zum Minimalismus gezwungen. Denn wer nur wenige Quadratmeter zum Leben hat, der kann nicht alles mitnehmen. Schick sagt, dass man sich vorher genau überlegen müsse, was man wirklich braucht. Wer beispielsweise nur ein Tiny House für Gäste im Garten hat, muss wahrscheinlich kein vollständiges Badezimmer einbauen. Florian Schick hilft seinen Kunden dabei herauszufinden, was sie wirklich wollen und brauchen. Nachträglich kann man immer Dinge hinzufügen.
Mehr Freiheiten und Mobilität
Ein Tiny House verspricht allerdings auch mehr Freiheiten. Die Häuser sind meistens mobil, was bedeutet, dass man schnell und einfach seinen Standort wechseln kann. Man ist flexibel und kann an den Orten wohnen, die man gerade sehen möchte.
Aus diesem Grund sieht Florian Schick Potential für die Tourismusbranche. Man könnte Tiny Häuser dort platzieren, wo man für eine bestimmte Zeit Wohnraum braucht. Dies könnte man bei Messen oder anderen Großveranstaltungen, wie der Fußballweltmeisterschaft, einsetzen. Statt große Hotelanlagen zu bauen, die nur für eine bestimmte Zeit voll ausgelastet sind, kann man lieber Tiny Häuser errichten, die man nach der Messe wieder abbauen und wo anders wieder platzieren kann. Dies spart deutlich Ressourcen und ist nachhaltiger.
Tiny House als Prestigeobjekt
In jeder Ecke hängen Lichterketten, eine Frau posiert in unbequem wirkenden Posen in dem kleinen Raum. Die untergehende Sonne strahlt perfekt durch ein kleines Fenster und taucht die Frau in ein warmes Licht. Sie lächelt. Auf den ersten Blick wirkt es, als wäre sie in ihrer eigenen, kleinen, aber perfekten Welt. Ein Trugschluss. Bilder wie diese findet man unzählig in den sozialen Medien. Das Wohnen in einem Tiny House wird romantisiert und der Ursprungsgedanke rückt in den Hintergrund.
Florian Schick sieht diesen Trend als problematisch an. Die ursprüngliche Idee hinter diesen Häusern ist, dass man möglichst minimalistisch und nachhaltig lebt. Heutzutage findet man allerdings auch einige Menschen, die sich ein Tiny House als Prestigeobjekt kaufen. „Mein Haus, mein Auto, mein Tiny House. Das ist so ein bisschen die Richtung, in die es gerade geht“, sagt Florian Schick. Dies widerspricht allerdings völlig dem Grundgedanken des Konzepts.
Tiny Häuser in der Stadtplanung
Es gibt Menschen, die auf Tiny Häuser angewiesen sind, weil sie sich nichts anderes leisten können. Besonders in Amerika ist dies der Fall. Nach der Immobilienkrise im Jahr 2008 haben viele ihre Häuser verloren und waren auf Tiny Homes angewiesen. In Deutschland ist das derzeit noch nicht der Fall. „Wenn ich mir so die Wirtschaftslage auch in Europa angucke, gehe ich einfach mal davon aus, dass die Tiny House Bewegung erst noch kommt“, sagt Schick dazu. Jedoch lässt sich sagen, dass bereits jetzt die Wohnungssituation gerade in Großstädten problematisch ist. Der Mietpreisindex steigt in den letzten Jahren stetig an. Gleichzeitig werden besonders in Großstädten immer mehr Wohnungen benötigt. Die Regierung hat vor ein paar Jahren bei einem Wohnungsgipfel versprochen mehr Wohnungen zu bauen – und das Versprechen nicht gehalten. Tiny Häuser könnten eine Lösung für dieses Problem sein.
Zahlreiche Projekte beschäftigen sich mit der Frage, wie man ungenutzten Raum für Tiny Häuser verwenden kann, um auf diese Weise mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Architekten Simon Becker und Andreas Rauch arbeiten an entsprechenden Konzepten. Sie haben ein Tiny House entwickelt, dass sich auf die Dächer von Hochhäusern setzen lässt. Allerdings wurde dieses Konzept aufgrund der Gesetzeslage noch nicht realisiert. Es gibt einige Hürden, wenn man etwas auf Dächern bauen möchte: Es stellt sich zunächst die Frage, wem das Haus gehört und wie man denjenigen davon überzeugt, dass man auf dem Dach bauen kann. Außerdem muss man die BewohnerInnen mit einbeziehen. Dazu kommen dann noch Bestimmungen, die den Denkmalschutz, den Brandschutz, die Fluchtwege und die Absturzsicherung betreffen. Zudem muss man sich damit beschäftigen, ob die Statik des Gebäudes extra gesichert werden muss und wie man Strom- und Wasserleitungen legen kann. Diese ganzen Fragen verlangsamen den Prozess und machen es schwierig das Konzept einfach umzusetzen. Dabei wäre allein auf Berlins Dächern eine Fläche für 50.000 Wohnungen frei. Jedoch sollen diese Häuser sehr viel kosten. Für so ein Haus bezahlt man zwischen 80.000 und 150.000 Euro für 25 Quadratmeter. Günstig ist das nicht. Das Vorhaben könnte allerdings in Zukunft auch als Mietwohnung denkbar sein.
Es gibt jedoch bereits Konzepte, die schon geplant und gebaut werden. Dazu zählen besonders die vielen Tiny House Dörfer, die derzeit überall entstehen. Momentan wird ein Dorf in Hannover entwickelt, das ecovillage. Dort sollen in den nächsten Jahren Wohnungen für etwa 900 Menschen auf einer Fläche entstehen, die so groß ist wie etwa sieben Fußballfelder. Die Häuser sollen dabei nachhaltig und für alle bezahlbar sein. Gemeinschaftliches Leben steht im Vordergrund.
In den kommenden Jahren wird es vermutlich immer mehr solcher Konzepte geben, die Wohnraum und Kosten einsparen.
Ein Wohnkonzept für jeden?
Tiny Häuser sind eher für Menschen gedacht, die gerne minimalistisch und nachhaltiger leben wollen. Nicht jeder will langfristig auf engstem Raum leben. Florian Schick sieht auch nicht, dass das Wohnen in einem Tiny House dauerhaft ist. „Für mich ist das eher so ein Lebens- oder Wohnkonzept für einen Lebensabschnitt“, sagt er. Seine Kunden sind meist ältere Alleinstehende, die an ihrem Lebensabend einfach weniger brauchen und deshalb in ein Tiny House ziehen wollen. Allerdings wird es in Zukunft wahrscheinlich immer mehr Menschen geben, die auf diese Art und Weise leben müssen, da es die Wohnsituation in deutschen Großstädten nicht anders zulassen wird. Es ist eine gute Alternative, um mehr günstigen Wohnraum anzubieten. Ob Menschen, die dazu gezwungen sind, wirklich glücklich sind, bleibt jedoch offen. Man muss sich genau überlegen, ob man auf so Vieles verzichten will. Sicher ist, dass ein Tiny House nicht für jeden der perfekte Lebensstil ist.