„Der Großteil der journalistischen BerufseinsteigerInnen absolvieren ein Volontariat, um im besten Fall Fuß zu fassen. Ländliche Zeitungskreise kämpfen derzeit um VolontärInnen, wohingegen die Metropolen einen regelrechten Ansturm erleben. Wichtig ist es Erfahrungen durch Praktika oder freie Mitarbeit zu sammeln, um Kontakte in der Branche zu knüpfen. Allerdings werden viele Praktika mit kleinem Taschengeld bezahlt. Eine Selbstständigkeit oder der Fokus auf freier Mitarbeit würde ich jungen Leuten nicht empfehlen, da das Einkommen deutlich geringer ist und es keine Einbindung in den journalistisch so wichtigen Redaktionsalltag gibt. Das Einkommen ist seit mehr als 30 Jahren ein kontroverses Thema. Wir als DJV bieten jungen Medienschaffenden Rechtsschutz, Informationen, Vernetzung und den Presseausweis an“, Hedrik Zöner, Pressesprecher Deutscher Journalisten Verband (DJV).
„Häng dein Herz nicht an die großen Namen!
Viele junge Menschen träumen vom Beruf des Journalisten, doch es gibt keinen Königsweg in den Journalismus. Die Corona-Pandemie hat auch den Volontariats-Alltag durcheinandergewirbelt. Die beiden JungjournalistInnen Kaja Weber vom Hamburger Abendblatt und Jan Petter von Spiegel Online erzählen im Campus38-Interview über Herausforderungen, Chancen und die Liebe zum Beruf:
Campus38: Wie bist du auf die Idee gekommen JournalistIn zu werden?
Kaja Weber: Ich habe während meines Japanologie-Studiums beim Uni-Radio in Leipzig gearbeitet und mich dann entschieden, den Master Journalismus in Mainz und weitere Praktika zu machen. Schon als Kind hat mich Reisejournalismus fasziniert, im Studium habe ich dann meine Liebe zum Lokaljournalismus entdeckt.
Jan Petter: Ich war schon immer neugierig und wissbegierig. Mich interessieren besonders politische und gesellschaftliche Themen. Ich war bei der Schülerzeitung und habe diverse Praktika gemacht. Habe nach dem Abitur aber einen Freiwilligendienst gemacht, da ich mir unsicher war. Danach habe ich Politik studiert und als freier Mitarbeiter beim MDR gearbeitet.
Wie hat sich das Volontariat durch Corona verändert?
Kaja Weber: Ich habe im Januar 2020 mit dem Volontariat beim Hamburger Abendblatt begonnen und konnte knapp drei Monate „normal“ arbeiten. Ich wollte im Volo vor allem Routine im Redaktionsalltag bekommen – Corona hat mir da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das journalistische Arbeiten lebt zum großen Teil von Interaktion. Ich finde es bedauerlich, dass der Großteil meines Volos von zu Hause aus stattfinden muss. Trotzdem bin ich dankbar für die Chance und die heutigen technischen Möglichkeiten. Sich auf neue Situationen einzustellen, gehört ja auch zum Job. Durch Corona muss man erfinderisch werden. Die Pandemie bringt aber auch viele neue Geschichten mit sich, die man erzählen kann und muss.
Jan Petter: Ich habe mein Volontariat vor Corona fertigbekommen. Im März 2020 habe ich mein Volontariat beim Spiegel erfolgreich absolviert und arbeite seit Dezember 2020 als fester Redakteur im Auslandresort. Durch die Reise- und Quarantäneregeln sind Besuche im Ausland derzeit nicht möglich. Ich sitze seit Dezember vergangenen Jahres im Home-Office und nutze Videokonferenzen so oft wie es geht.
Was gefällt dir so gar nicht am Beruf? Wo liegen Probleme?
Kaja Weber: JournalistIn ist ein wahnsinnig toller Beruf, man darf viel lernen und erleben. Der Weg zu einer festen Stelle ist aber nicht immer einfach: Praktika, die für die Arbeitserfahrung wichtig sind, werden oft wenig oder teils gar nicht bezahlt. Das muss man sich leisten können und manche können es eben nicht. Um den Anschluss an die Gesellschaft nicht zu verlieren, muss der Journalismus auch diverser werden. Wenn wir alle Bereiche der Gesellschaft abbilden wollen, müssen auch Menschen mit verschiedenen Lebenswegen und Hintergründen in den Redaktionen sitzen. Zudem herrscht ein hoher Leistungsdruck und man muss eine gute Work-Life-Balance finden.
Jan Petter: Das Gehalt ist für viele nicht akzeptabel. Die Medienbranche ist in Teilen diffus und unübersichtlich. Freie Mitarbeiter haben es meiner Meinung nach oft schwer. Sie sind kein fester Bestandteil der Redaktion und sind hohem Druck ausgesetzt. Dennoch liebe ich meinen Beruf und für mich überwiegen die positiven Aspekte.
Aufgrund der Pandemie verspüren die Menschen ein starkes Informationsbedürfnis. Würdest du dich selbst als systemrelevant bezeichnen?
Kaja Weber:Ja. Im Lokalen berichtet das Abendblatt zum Beispiel über das Hamburger Impfzentrum und die täglichen Entwicklungen in der Stadt. Viele junge Menschen werden von klassischen Medien aber nicht mehr erreicht, auch viele meiner FreundInnen informieren sich eher über soziale Medien. Daran muss die Branche arbeiten. Auf Leserseite wird leider oft vergessen: Genauso wie beim Bäcker für Brötchen bezahlt werden muss, obwohl alle essen müssen, können auch JournalistInnen ihre Arbeit nicht umsonst anbieten.
Jan Petter: Medien sind wichtig für eine funktionierende Demokratie. Dafür braucht es mehr Bewusstsein in der Gesellschaft. Dennoch finde ich, dass der Journalismus transparenter, diverser und kritischer werden muss. Ich versuche mit meiner Arbeit Leute auf Dinge aufmerksam zu machen und ihnen zu erklären, warum ich eine Relevanz sehe. Das sollten mehr JournalistInnen machen, dann erkennen auch die letzten, dass Journalismus wichtig ist.
Was rätst du jungen Leuten, die sich für Journalismus interessieren?
Kaja Weber:Als junge/r JournalistIn sollte man sein Herz nicht gleich an die großen Namen der Branche hängen. Zu den großen Medienhäusern und Journalistenschulen wollen viele, aber nur wenige bekommen die Chance. Das ist aber kein Weltuntergang, im Gegenteil: Beim Bürgerradio oder in kleinen Redaktionen kann man sich meist mehr ausprobieren, die eigenen Stärken und Interessen kennenlernen. Auch Praktika und freie Mitarbeit sind wichtig, um Erfahrung zu sammeln.
Jan Petter: Ich kann jeder/m nur empfehlen ein Volontariat zu machen oder eine Journalistenschule zu besuchen. Man würde sich ärgern, wenn man die Erfahrung nicht macht. Der hohe Praxisbezug und die Eingliederung in den Redaktionsalltag sind wahres Gold. Praktika und generell praktische Erfahrungen sind wichtig. Eine Spezialisierung auf zum Beispiel ein bestimmtes Themengebiet ist ratsam.
Deutscher Journalisten Verband (DJV)
Der Verband bildet eine Interessenvertretung und Gewerkschaft für fest angestellte und freiberuflich tätige JournalistInnen.
Gründung:1949 / Mitglieder: ca. 30.000 / Sitz: Berlin, Bonn / Organisation: 16 Landesverbände und Bundesverband / Leistungen für MitgliederInnen: Interessenvertretung, Beratung und Unterstützung, Presseausweis, Rechtsschutz / Grundsätze:Ethische Grundprinzipien (Absage an Intoleranz, Rassismus, Totalitarismus, Fremdenfeindlichkeit), Achtung der Persönlichkeitsrechte, Sicherung der Freiheitsrechte, Mitwirken am Prozess der demokratischen Willens- und Meinungsbildung, etc.
JournalistInnen-Gehälter
Ca. 3000 Volontariatsstellen gibt es jährlich
80% aller journalistischen Berufseinsteiger absolvieren ein Volo
3.692€ monatliches Gehalt fest angestellte/r RedakteurIn
Aktuelle Vologehälter
Tageszeitungen: 2059 € im 1. Ausbildungsjahr 2372 € im 2. Ausbildungsjahr
Zeitschriften: (vor dem 22. Lebensjahr) 1588 € im 1. Ausbildungsjahr 1852 € im 2. Ausbildungsjahr (ab 22. Lebensjahr) 2023 € im 1. Ausbildungsjahr 2287 € im 2. Ausbildungsjahr
Privatfunk: 1407 € im 1. Ausbildungsjahr 1662 € im 2. Ausbildungsjahr für Volos mit berufsbegleitender Ausbildung an einer Berufsakademie, Journalistenakademie.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: im Durchschnitt: etwas über 1600 € im 1. Ausbildungsjahr etwas über 1900 € im 2. Ausbildungsjahr im klassischem Volo beim Sender. Spitzenreiter ist meist der Bayerische Rundfunk, mit aktuell 1814 € im 1. Ausbildungsjahr 2202 € im 2. Ausbildungsjahr
Eine Ausnahme ist der RBB mit seiner Electronic Media School, die eine Ausbildungsvergütung von 1000 Euro zahlt.