Tischlerin Amelie Schade bei der Arbeit. Foto von Henrike Stottmeister.

Kann die das? – Frauen im Handwerk

Das Handwerk ist vielfältig, praktisch und kreativ – doch es bleibt in den Köpfen vieler Menschen eine Männerdomäne. Zwar hat sich der Anteil von Frauen in vielen Handwerksberufen in den letzten Jahren erhöht, doch von einer gleichberechtigten Verteilung kann noch längst nicht gesprochen werden.

Laut dem Zentralverband des Deutschen Handwerks lag der Anteil von Frauen unter den Auszubildenden in Handwerksberufen in Deutschland im Jahr 2023 bei rund 14 Prozent – das heißt, etwa jeder siebte Ausbildungsplatz war von einer Frau besetzt. Dabei variiert der Frauenanteil je nach Gewerbegruppe stark. Besonders viele Frauen finden sich in den kreativen Handwerksberufen und den Gesundheitshandwerken: So waren 2023 beispielsweise 85 Prozent der Auszubildenden im Konditorenhandwerk Frauen, bei den AugenoptikerInnen waren es rund 68 Prozent.

In den gewerblich-technischen Berufen hingegen sind Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert. 2023 waren beispielsweise nur 2,4 Prozent der Maurer-Auszubildenden weiblich. Es gibt positive Entwicklungen: Immer mehr Frauen entscheiden sich für Berufe wie Kraftfahrzeugmechatronikerin, Tischlerin, Elektronikerin, Malerin oder Lackiererin. Ein Beispiel: Während 2006 lediglich 7,3 Prozent der Tischler-Auszubildenden Frauen waren, stieg der Anteil bis 2023 auf 17,8 Prozent.

Trotz dieser Fortschritte bleibt das Handwerk in Deutschland in großen Teilen eine Männerdomäne. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch europaweit: In keinem EU-Land lag der Frauenanteil im Handwerk 2022 über 25 Prozent. Deutschland belegte mit etwa zehn Prozent Rang zehn von 27 und hat – wie viele andere Länder – weiterhin großen Aufholbedarf. Die Grafik veranschaulicht die Unterschiede zwischen den EU-Staaten und zeigt, wo die Herausforderungen besonders groß sind.

Ein Blick in die Werkstatt: Tischlerin Amelie Schade erzählt

Was bedeutet es, als Frau im Handwerk zu arbeiten? In dem nachfolgenden Video gibt die junge Tischlerin Amelie Schade Einblicke in ihren Berufsalltag. Sie spricht über ihre Leidenschaft für Holz, ihre Erfahrungen mit Vorurteilen und warum sie dennoch nicht tauschen würde.

Gründe für die Unterrepräsentation

Das Handwerk sucht händeringend nach Fachkräften – und dennoch führt dieser Umstand nicht dazu, dass mehr Frauen sich für Handwerksberufe entscheiden. Vielmehr bleibt es dabei, dass Frauen in vielen Gewerken immer noch deutlich in der Unterzahl sind. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zeigt: Zwischen Juli 2023 und Juni 2024 blieb jede zweite offene Stelle unbesetzt. Warum also entscheiden sich so wenige Frauen für einen dieser Berufe im Handwerk?

Das sogenannte „Gewerk“ bezeichnet eine Tätigkeit im Handwerk.

Die Tischlerin Amelie Schade nennt dafür im Interview bereits verschiedene Gründe. Ähnlich sieht das auch die junge Braumeisterin Doreen Gaumann: Viele Frauen würden befürchten, im Handwerk nicht anerkannt oder respektiert zu werden. Auch die Sorge, den Beruf aus körperlichen Gründen nicht bewältigen zu können, hielte viele zurück.

Ein weiterer entscheidender Faktor könnten fehlende Vorbilder sein. Nur 24,6 Prozent der Handwerksbetriebe werden von Frauen geführt oder mitgeführt. Besonders in stark männerdominierten Gewerken ist der Anteil von Chefinnen extrem niedrig und liegt teilweise bei unter zehn Prozent. Ohne sichtbare Beispiele im Handwerk fällt es jungen Frauen oft schwer, sich vorzustellen, selbst in dieser Welt zu arbeiten.

Doch was denken andere über dieses Thema? Die nachfolgende Audioumfrage gibt Einblicke in die Meinungen und Ansichten von Braunschweiger Passanten zu der Frage: „Warum sind Frauen in den männerdominierten Handwerksberufen so selten vertreten?“

Lösungen: Wie das Handwerk weiblicher werden kann

Das Handwerk hat in den letzten Jahren erste Schritte unternommen, um Frauen für eine Karriere in dieser vielfältigen Branche zu begeistern. Doch um wirklich nachhaltig weiblicher zu werden, braucht es gezielte Maßnahmen, die Geschlechterklischees abbauen und Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung aktiv unterstützen. Verschiedene Initiativen und Programme zeigen, wie dies gelingen könnte.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) engagiert sich beispielsweise auf mehreren Ebenen, um Mädchen und Frauen für handwerkliche Berufe zu gewinnen. Dazu gehören die Beteiligung am Girls Day, die Förderung von MINT-Initiativensowie die Mitarbeit an der Initiative Klischeefrei als Partnerorganisation. Ziel dieser Initiativen ist es, veraltete Rollenbilder bei der Berufsorientierung und -beratung zu überwinden und so ein geschlechterspezifisches Berufswahlverhalten aufzubrechen.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend setzt ebenfalls wichtige Impulse. Es fördert mehrere Projekte, wie den bundesweiten Aktionstag 2024 „Nachfolge ist weiblich“. Alle diese Projekte zielen darauf ab, Frauen in der Führung und in der Unternehmensnachfolge in Handwerksbetrieben zu unterstützen und zu fördern.

Die Initiative „Handwerk ist hier auch Frauensache“ des Bundesverbands der UnternehmerFrauen im Handwerk e. V. unterstützt Betriebe dabei, Frauen gezielt anzusprechen. Mit einem Siegel, das Unternehmen kennzeichnet, in denen Frauen ausdrücklich willkommen sind und gefördert werden, soll die Hemmschwelle für Bewerbungen von Frauen für männerdominierte Handwerksberufen gesenkt werden.

Auch die Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade möchte Frauen in männerdominierten Gewerken fördern, etwa mit einem Handlungsleitfaden für Unternehmen auf der Website. Dieser soll den Unternehmen Tipps geben, wie Frauen gezielter angesprochen werden können.

Welche Ideen und Lösungsansätze gibt es noch, um das Handwerk weiblicher zu machen? In einer weiteren Audioumfrage wurde Passanten in der Braunschweiger Innenstadt genau diese Frage gestellt:

Aber: Reicht das? All diese Maßnahmen sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Doch die bisherigen Bemühungen haben bislang nur begrenzte Ergebnisse erzielt – insbesondere in gewerblich-technischen Berufen sind Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert. Das Handwerk wird weiblicher, aber es bleibt noch ein langer Weg, um echte Gleichberechtigung und Vielfalt zu erreichen.


Teaserbild: Tischlerin Amelie Schade bei der Arbeit. Foto von Henrike Stottmeister

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