Therapie auf vier Pfoten – wenn Hunde zu Helfern werden

Der beste Freund des Menschen kann weitaus mehr als nur Haustier sein. Manch Vierbeiner wird als „Therapeut“ eingesetzt. Logopädin Isabel Becker zeigt, was ihre Therapiehündin Emmi leistet.

Ob groß ob klein, ob zottelig oder kurzhaarig, der Hund ist laut Industrieverband für Heimtierbedarf eines der beliebtesten Haustiere der Deutschen. Als vollwertiges Familienmitglied bestreitet so mancher Vierbeiner sein Leben, doch nicht alle Hunde sind nur Haustiere. Einige leisten einen wertvollen Beitrag, indem sie als Therapiehunde emotionalen Stress abbauen, das soziale Wohlbefinden fördern und sogar den Blutdruck senken. Schon im Jahr 1988 wurden im Bereich der Verhaltenspsychologie diese Aussagen durch die Forschung der Wissenschaftler Vormbrock und Grossberg bestätigt.
Die meisten Hunde sind intelligent und wissbegierig; sie genießen es stets, Neues zu lernen und brauchen dafür einen gewissen Grad an Führung. Perfekt also um als Therapiehund arbeiten zu können, oder?

Was muss ein Therapiehund können?

Mara, Crazy und Lupo beim Training. (Foto: Vivian Schubert)

Tatsächlich ist ein friedfertiges und ruhiges Wesen für Therapiehunde unerlässlich. Lautes Bellen oder Knurren, an Menschen hochspringen oder schlecht auf die Kommandos der BesitzerInnen hören, sind im Werdegang eines Therapiehundes nicht vorgesehen. Die Hunde müssen sehr geduldig sein, sich ständig und überall streicheln lassen und dürfen weder nervöses noch aggressives Verhalten zeigen. Um dies zu trainieren, ist eine enge Bindung zum Herrchen bzw. Frauchen von Vorteil, aber auch die charakteristischen Eigenschaften eines Hundes sind wichtig. Therapiehunde müssen sensibel und gleichzeitig stressresistent sein. Besitzt ein Hund all diese Eigenschaften, spielt die Rassenzugehörigkeit keine spezielle Rolle. Entscheidend ist das Individuum und wie sich der Welpe ab dem Zeitpunkt seiner Geburt entwickelt.
Es gibt Hunderassen, die von ihrem Grundwesen her eher die Anlagen zu einem Therapiehund mitbringen als andere. Arbeitshunde, die als Jagd-, Hüte- oder Gebrauchshund jahrzehntelang für die Zusammenarbeit mit den Menschen gezüchtet wurden. Rassen wie Pudel, Border Collies, Deutsche Schäferhunde, Australian Shepherds, Labradore oder Golden Retriever eignen sich deshalb besonders gut.
Die Ausbildung zum Therapiehund kann sich je nach Anbieter hinsichtlich Dauer, Kosten und Zugangsvoraussetzungen unterscheiden. Einige Schulungsanbieter sehen für die Ausbildung lediglich einige Wochenendkurse vor, während andere eine erheblich längere und umfassendere Ausbildungsdauer von etwa 180 Unterrichtsstunden in Theorie und Praxis veranschlagen. Ebenso unterscheidet sich das Mindestalter, welches der Hund zu Ausbildungsbeginn haben muss. In einigen Fällen können bereits Welpen ab einem Alter von 12 Wochen teilnehmen, in anderen Fällen muss der Vierbeiner hingegen mindestens zwei Jahre alt sein. Auch die zu erwartenden Kosten sind ganz unterschiedlich angelegt. Ein umfassender Lehrgang kostet etwa 1.500 bis 2.000 Euro.
Die Ausbildung beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Hunde, sondern schließt auch die dazugehörigen HundeführerInnen mit ein. Im theoretischen Teil werden notwendige Grundlagen für den Umgang mit dem Hund vermittelt. Im praktischen Teil lernen Hund und BesitzerIn, worauf es bei der täglichen Arbeit als Team ankommt. Es empfiehlt sich die Ausbildung durch private Übungen zu unterstützen, damit relevante Verhaltensweisen schnell verinnerlicht werden. In einer abschließenden Prüfung zeigen Hund und HalterIn, dass sie alles Wichtige beherrschen und als Therapiehunde-Team funktionieren. Nach bestandener Abschlussprüfung kann es losgehen, die ausgebildeten Fellnasen dürfen ihre Herrchen und Frauchen zur Arbeit begleiten.

Wie sieht der Alltag aus?

Hündinnen Molly, Eila und Amy beim Spaziergang. (Foto: Vivian Schubert)

Ob bei der Behandlung von psychischen Problemen oder Lern- und Sprachstörungen, der Einsatzbereich eines Therapiehundes ist vielfältig. Immer mehr therapeutische Arbeit wird durch Hunde unterstützt. Berufsbereiche wie Psychotherapie, Ergotherapie und Heilpädagogik, bei denen Hunde Teil der Einzel- oder Gruppentherapiesitzungen sind, sind keine Seltenheit mehr.
Unterschieden wird zwischen einem aktiven und einem reaktiven Therapiehund. Der aktive Hund fordert, wie der Name schon sagt, die zu behandelnden Personen „aktiv“ zu etwas auf, wohingegen der reaktive Hund eher abwartend auftritt und sehr emphatisch auf die Befindlichkeiten der PatientInnen reagiert. Bei dieser Arbeit kommen die Vierbeiner mit sehr unterschiedlichen Menschen in Kontakt. Menschen, die seltsam sprechen oder sich komisch bewegen, aber auch Menschen, die aufgeregt und nervös sind. Therapiehunde arbeiten mit Kindern, Erwachsenen und mit Senioren und sind in der Lage, auf die verschiedenen individuellen Eigenarten der PatientInnen einzugehen.
Eine sich ständig ändernde Umgebung mit verschiedensten Räumen, Gerüchen und Situationen gehören zum Alltag und bedeuten in gewisser Weise auch Stress. Umso wichtiger ist es, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. Denn auch ein Therapiehund ist und bleibt in erster Linie ein Hund mit natürlichen Bedürfnissen. Er braucht genügend Auslauf im Freien, einen engen Kontakt zu seinem Menschen und Spiel- und Begegnungsmöglichkeiten mit Artgenossen.
Im Allgemeinen vermitteln Hunde durch ihre bloße Anwesenheit ein Gefühl von Sicherheit, Wärme und Geborgenheit. Mehrere Studien und WissenschaftlerInnen haben herausgefunden, dass Hunde das soziale Wohlbefinden fördern und eine positive Wirkung auf uns Menschen haben. Das Stresshormon Cortisol wird bei Menschen durch das Streicheln von Hunden erheblich abgebaut. Dies belegte 2019 eine Studie der Washington State University. Diese Wirkung wird als „Haustier-Effekt“ bezeichnet. Zusätzlich schüttet der menschliche Körper das Wohlfühl- und Bindungshormon Oxytocin aus, welches als Glückshormon bekannt ist.

Doch wie machen Hunde das bloß?

Hunde können verschiedene Stimmungen sehr intensiv wahrnehmen. Anders als Menschen werten sie dabei jedoch nicht, sie kritisieren oder urteilen nicht. Sie nehmen die Menschen so wie sie sind, egal wie sie aussehen oder auftreten, wie sie sprechen oder sich bewegen. Psychologen erklären die positive Wirkung auf Menschen mit dem sogenannten „Cinderella-Effekt“. Durch die absolut wertfreie Interaktion von Hund zu Mensch und die vorbehaltlose Liebe, sei das seelische Wohlbefinden positiv gestimmt.
Hunden gelingt es, Menschen aus der Reserve zu locken und zu Erfolgen zu verhelfen. Das kann ein kleines Lächeln eines Patienten sein, der kaum noch zu freudigen Gefühlsregungen im Stande ist, bis hin zu Patienten, die einen Arm bewegen können, der vorher nur schlaff herunterhing.
Therapiehunde können auf sehr vielfältige Weise auf Menschen einwirken und leisten in mehreren Hinsichten einen großartigen Job.

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