„Urban Gardening ist der Begriff für alle Menschen, die in der Stadt gärtnern, wo es meist nicht viel Grünfläche gibt oder für StadtbewohnerInnen, die nicht immer die Möglichkeit für einen Garten haben“, so Sümeyra, Gründerin des Urban Gardening Shops ‘Annes Garten’ in Braunschweig.
Beim Urban Gardening handelt es sich um das eigenständige Anpflanzen, Pflegen und Ernten von Obst, Gemüse, Kräutern und Pflanzen in der städtischen Umgebung. Ziel ist es, Grünflächen in bebaute Städte zurückzuholen. Da es nicht für jede Person machbar ist, einen Garten zu besitzen, wurde geschaut , welche Möglichkeiten bestehen, den verfügbaren Raum jeglicher Art zum Anbauen zu nutzen. Beim Urban Gardening werden ungenutzte oder versiegelte Flächen aufgewertet, indem Grünflächen beispielsweise in Form von Hochbeeten geschaffen werden.
Stadtgärtnern – ökologische und soziale Bereicherung
„Das Glück ist grün“, so Landschaftsarchitektin Gabriella Pape, denn Gärtnern bringt reichlich Nutzen. Grünflächen in der Stadt bieten mehr als nur eine Ansammlung von Pflanzen. Die Biodiversität wird gesteigert, indem Lebensräume für Insekten und Bienen in der städtischen Umgebung geschaffen werden. Darüber hinaus fördert der Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern die Nahrungsmittelsicherheit lokal angebauter und frischer Lebensmittel, die zugleich den Bedarf langer Transportwege reduziert. Das Institut für ökologische Wirtschaftsförderung widmete sich in einer wissenschaftlichen Untersuchung dem urbanen Gärtnern und verdeutlicht den Zweck einer lokalen und nachhaltigen Lebensmittelproduktion.
Urban Gardening verbessert die Luftqualität in städtischen Gebieten, da Pflanzen Sauerstoff produzieren und Schadstoffe aus der Luft absorbieren. Um den eigenen CO²-Fußabdruck beim urbanen Gärtnern möglichst gering zu halten, sollte auf das Recycling geachtet werden. Beispielsweise kann hierfür Kompost statt gekaufter Dünger verwendet werden, so Deutschlandfunk Nova.
Ein Ort der Ruhe
Neben zahlreichen umweltförderlichen Aspekten wird die zwischenmenschliche Gemeinschaft begünstigt. Sümeyra betont die sozialen Aspekte des Gärtnerns: Da zumeist nicht alles Angebaute verzehrt werden kann, bringt es Menschen dazu, mit anderen zu teilen und schafft die Möglichkeit, daraus gemeinsam etwas zu kochen. Neben dem Effekt, Menschen miteinander zu verbinden, betont Sümeyra den Spaß an der Tätigkeit und ihre positive Wirkung auf die mentale Gesundheit: „Es ist nicht nur für die Flora und Fauna, sondern auch für uns Menschen gut. Es wurde in vielen Studien bewiesen, dass in den Gemeinschaften, wo mehr Bäume gepflanzt werden, wo also viel mehr Grün ist, Stadtteile positiver bewertet werden.“
Laut dem bayerischen Bund-Naturschutz hat das Erleben von Natur sowohl positive körperliche als auch positive seelische Auswirkungen auf den Menschen. Der Bund-Naturschutz verweist auf eine amerikanische Untersuchung aus dem Jahr 2016, in der die Auswirkungen der Stadtnatur auf das Wohlbefinden des Menschen untersucht wurden: Mit dem Ergebnis, dass sich Parks besonders positiv auf das gesundheitliche und gemeinschaftliche Wohlbefinden auswirken. Unter Bezugnahme zahlreicher Forschungen betont der Naturschutz, dass Stadtnatur Stress reduziert, die körperliche Gesundheit fördert und ein notwendiger Bestandteil urbaner Lebensräume ist.
Laut der Umweltmission beruhigt eine grüne Umgebung die Gedanken und bietet so einen Abstand zur digitalen Welt. Menschen, die innerhalb einer Stadt abseits der Natur leben, neigen zu Stimmungsschwankungen und sind zumeist unzufriedener. Deshalb wird von ÄrztInnen die Natur empfohlen. Das körperliche und geistige Wohlbefinden wird durch Urban Gardening gefördert. ForscherInnen der Universität Tokio fanden in einer Meta-Analyse heraus, dass es eine positive Wirkung auf die Gesundheit des Menschen hat. Die Studie zeigt, dass es das Risiko von Depressionen und Angststörungen senkt – die Lebenszufriedenheit gleichzeitig erhöht. Außerdem fördert es die körperliche Aktivität und stärkt ein Gemeinschaftsgefühl.
Mit wenig Platz zum Erfolg: Wege ins Urban Gardening
Um Urban Gardening zu betreiben, braucht es vor allem Motivation, so Sümeyra. Denn zunächst ist Urban Gardening für alle Menschen unabhängig ihres verfügbaren Platzes zugänglich. Sie empfiehlt, nicht überambitioniert, sondern klein anzufangen, da die ersten Erfolgserlebnisse einen schließlich dazu motivieren, weiterzumachen. Salate, wie Schnittsalate, Kopfsalate und Pflücksalate wachsen schnell und brauchen keinen Dünger, sodass sie für den Start ins Urban Gardening besonders gut geeignet sind. Darüber hinaus sind Kräuter und Wurzelgemüse, wie Radieschen, Karotten oder Kohlrabi anspruchsfrei. Tomaten eignen sich als Anfänger Gemüse eher weniger, da sie viel Wasser benötigen und somit besonders gut gepflegt werden müssen.
Sie selbst fing auf ihrer Fensterbank an, Samen in Balkonkästen auszustreuen und bepflanzte so ihre ersten Kräuter und Salate. Heute bietet sie neben zahlreichen hochwertigen Produkten, die für den Start ins Urban Gardening benötigt werden, sogar Workshops an. Sie erhofft sich, möglichst viele Menschen mit dem Thema Gärtnern in Berührung zu bringen, sie zu motivieren „die Hände in die Erde zu stecken“ und zu zeigen, was es Gutes mit sich bringt, eigenständig zu Gärtnern.
Dieser Behälter wird für den Anbau von Pilzen verwendet, um eine praktische und nachhaltige Möglichkeit zu bieten, hochwertige Lebensmittel in städtischen Umgebungen produzieren zu können. Darüber hinaus bietet ein Terrarium eine kontrollierte Umgebung für das Wachstum von Pflanzenarten, die eine hohe Luftfeuchtigkeit benötigen, da die Pflanzen in einem Glasbehälter angelegt werden und so ein geschlossenes Ökosystem bilden.
Ernte der Dankbarkeit
Gegen Ende der 60er Jahre kamen Sümeyras Eltern und Großeltern als GastarbeiterInnen aus der Türkei nach Deutschland. Sie verließen ihre Heimat aufgrund finanzieller Not und mit der Hoffnung, ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Arbeitskräfte wie Sümeyras Familie, die nicht nur aus der Türkei kamen, halfen, Deutschland mit aufzubauen. „Annes Garten“ ist Sümeyras Dank an ihre Eltern und Großeltern.
Die Beziehung zu Pflanzen erbte Sümeyra von ihrer Mutter und ihrer Oma. Urbanes Gärtnern weckt Erinnerungen an ihre Kindheit: Der mit verschiedenen Pflanzen bewachsene Balkon in ihrem Zuhause bleibt als schattiger und angenehmer Ort in den warmen Sommermonaten in Erinnerung. Auch die Besuche bei ihrer Oma im Harz bleiben unvergessen, da sie Sümeyra ihr selbstgezogenes köstliches Gemüse aus dem eigenen Garten mitgab.
Da das Wort „Anne“ im Türkischen für Mutter steht, gab Sümeyra ihrem Laden den Namen „Annes Garten“. Mutters Garten bezieht sich auf unsere Erde – unser Zuhause. Es zu schützen und zu pflegen ist die Verantwortung jedes Menschen. „Annes Garten“ ist Sümeyras Beitrag, dieser Verantwortung nachzukommen.
Anfangs war Sümeyra der Meinung, lediglich Mitte 20- bis Ende 30-Jährige anzusprechen, jedoch besuchen auch ältere Personen ihren Laden: „Es darf jeder rein, und ich finde es auch ganz schön, wenn dann auch Erfahrene oder die Omis und Opis hier reinkommen, die dann schon richtig lange gärtnern und ich von ihnen noch Tipps bekomme.“
Mehr Grünflächen für eine nachhaltige Zukunft
Der Trend des Urban Gardenings ist für die urbane Architektur attraktiv. So finden sich immer mehr begrünte Flächen inmitten einer bebauten Stadt. An Hauswänden, auf den Dächern der Stadt oder auf Balkonen und Fensterbänken – die Städte werden grün. Das Gartendeck in Hamburg-St-Pauli, aber auch der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg gelten als bekannte städtische Grünflächen.
Wenn Sümeyra an die Zukunft denkt, sollte es in der Stadtplanung mehr Relevanz spielen, Grünflächen zu schaffen, um versiegelte Flächen zurückzunehmen, sei es auf Dachflächen oder an Wänden. Es ergeben sich neue Ideen, Flächen zu begrünen. Darüber hinaus könnten regionale Bauernhöfe an Bedeutung gewinnen, sodass Menschen ein Bewusstsein dafür schaffen, ihre Lebensmittel bei landwirtschaftlichen Betrieben einzukaufen.
Dein Beitrag zum Schutz unserer Erde
Der Klimawandel und die Globalisierung prägen zunehmend unsere Gesellschaft. Urban Gardening schafft eine Gegenmaßnahme und verbessert nebenbei unsere Lebensqualität. Insgesamt trägt es zu einer nachhaltigen, lebenswerten und umweltfreundlichen Gestaltung der städtischen Umgebung bei.
Das Beste: Es ist allen Menschen ganz unabhängig ihres verfügbaren Platzes und zu jeder Jahreszeit zugänglich: Jede freie Fläche, die Licht empfängt, eignet sich zum urbanen Gärtnern. Daher ist es nicht nur in Sommermonaten eine attraktive Tätigkeit, sondern auch in der kälteren Jahreszeit. Es liegt an uns, ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen und Verantwortung zu übernehmen, unsere Erde, unser Zuhause, zu schützen.